Wie schreibe ich einen überzeugenden Projektantrag

Wenn Unternehmen das Luxusproblem haben aus vielen Verbesserungsideen wählen zu können, ist der nächste Schritt die Entscheider davon zu überzeugen. Wenn die Ansatzpunkte nicht im Tagesgeschäft oder im kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) abgearbeitet werden, muss ein Projektantrag gestellt werden. Häufig fließt in die Formulierung eines Projektantrags viel Arbeit und noch mehr Herzblut. Wenn dann nichts daraus wird ist das sehr schade und frustrierend. Ein überzeugender Projektantrag ist auch ein wichtiger Faktor für ein erfolgreiches Projekt.

Exkurs: Umsetzung von Ansatzpunkten im Tagesgeschäft, im KVP oder in einem Projekt

Bei Prozessanalysen identifizierte Ansatzpunkte können in verschiedenen Formaten umgesetzt werden. Kleinere Ansatzpunkte können sofort im Tagesgeschäft umgesetzt werden, etwas umfangreichere eignen sich für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). Wichtig dabei ist, dass sie in der eigenen Abteilung umgesetzt werden können. Für umfassende und abteilungsübergreifende Ansatzpunkte bzw. Bündel von Ansatzpunkten sind Projekte das geeignete Format.

Und ein Selbstläufer ist ein Projektantrag eigentlich nie. Denn auch ein subjektiv unschlagbar guter Ansatzpunkt muss skeptische Entscheider überzeugen. Denn sowohl Nutzen als auch Aufwand sind ungewiss. Allerdings neigt der Nutzen dazu geringer zu werden als man denkt während die Aufwände die unangenehme Eigenschaft haben höher zu werden als man denkt. Die Herausforderungen bestehen also darin, den Nutzen so gut wie möglich abzuschätzen, die Aufwände während der Projektlaufzeit so sorgfältig wie möglich zu bewerten und dann die Anforderung noch in eine für die Entscheider nachvollziehbare Geschichte zu übersetzen.

Und wie so oft werden bereits ganz zu Beginn die Weichen über Erfolg oder Misserfolg gestellt. Ein entscheidendes Dokument ist der Projektantrag, der je nach Organisation eine Präsentation, ein schriftliches Dokument oder auch ein „Elevator Pitch“ sein kann. In meiner Zeit als Unternehmensberater habe ich auch selbst viele Angebote geschrieben und ebenso viel Erfahrungen gesammelt wie Lehrgeld bezahlt. Auf jeden Fall habe ich einige Erfolgsfaktoren herausgefunden, wie man einen überzeugenden Projektantrag bzw. Angebot schreibt. Und auch ein Exposé für eine Abschlussarbeit kann auf dieser Struktur aufbauen.

Erfolgsfaktoren eines Projektantrags

Ein aussagekräftiger und überzeugender Projektantrag ist die Basis für die Entscheidung über das Projekt und auch die Detailplanung. Er hat also schon eine gewisse Tragweite. Unternehmen haben hierzu manchmal eigene Formulare, in die die verschiedensten Inhalte eingegeben werden können. Die folgenden Aspekte sollten aber in jedem Projektauftrag in mehr oder weniger umfangreichen Ausführungen enthalten sein. Ich stelle zu den einzelnen Aspekten jeweils einige Leitfragen vor und gebe eine kurze erläuternde Beschreibung.

Vom Wesen her ist ein Projektantrag mit einer Verkaufspräsentation vergleichbar. Denn es soll ja die Umsetzung des Projekts „verkauft“ werden. Es gelten also auch ähnliche Erfolgsfaktoren wie bei Verkaufsgesprächen: Man sollte die Entscheider und deren Persönlichkeiten kennen und man kann die AIDA-Formel (Aufmerksamkeit, Interesse, Desire bzw. Begierde und Aktion) nutzen. Auch die Ideen des Storytelling können hilfreich sein, wenn man sie mit ein paar technischen Details kombiniert.

Im Folgenden verwende ich für die Formulierung eines überzeugenden Projektantrags als Metapher eine Bergwanderung.

Ausgangssituation (Initial Situation) – wo wir heute stehen
Die Beschreibung der Ausgangssituation ist die Basis (Photo by Life Of Pix from Pexels)

Zu Beginn hat es sich bewährt eine Beschreibung der Ausgangssituation zu geben. Sie stellt Rahmenbedingungen des betroffenen Bereichs ebenso dar wie bisherige Bemühungen zur Verbesserung. Hier ist es wichtig, dass die Beschreibung der aktuellen Situation nicht wertend ist. Ziel muss es sein, dass sich Beteiligte wie Entscheider in der Beschreibung wider finden. Im Sinne von „Ja, genau so ist es!“. Das ist dann die erste Etappe auf der „Ja-Straße“.

Leitfragen können sein:

  • Woraus ist die Projektidee entstanden?
  • Was wurde hierzu bisher schon gemacht?
  • Was sind die Rahmenbedingungen des vorgeschlagenen Projekts?

Bei der Beschreibung helfen einige Details zu bestehenden Vorgehensweisen, genutzten Instrumenten, Eckdaten des Prozesses oder der betreffenden Organisationseinheit (Anzahl Prozessdurchläufe, Durchsatz, Mitarbeiter etc.). So kann man die Bedeutung des Ansatzpunktes besser einschätzen.

Explizit keine Beschreibung einer Ausgangssituation ist die Formulierung allgemeiner und wenig konkreter Ziele. Wie zum Beispiel: „Das Unternehmen strebt nach höchster Kundenzufriedenheit“ oder „Es sollen die geringsten Kosten erzielt werden“.

Problemstellung – warum wir etwas tun müssen
Die Problemstellung macht die Handlungsnotwendigkeit deutlich (Photo by Kaique Rocha from Pexels)

Der nächste Schritt ist die Beschreibung der Probleme bzw. der „Pain Points“, die sich aus der Ausgangssituation ergeben. Das dient später auch als Grundlage für die Nutzenbeschreibung. Denn das Projekt soll ja die Situation verbessern. Je präziser die Probleme benannt werden, desto einfacher fällt später die Formulierung (messbarer) Ziele.

Ein Beispiel für eine Ausgangssituation und die darauf aufbauende Problemstellung aus der Logistik: Die Logistik wickelt aktuell x Aufträge pro Tag ab. Weiterhin ist die Einführung mehrerer neuen Produkte mit hohem Marktpotenzial geplant (wertfreie Beschreibung). Die Problemstellung ist dann, dass in absehbarer Zeit die aktuelle Dimensionierung der Logistik zu klein sein wird und es zu Engpässen und einer sinkenden Lieferzuverlässigkeit kommen kann.

Die Problemstellungen sollten nicht bereits als Zielsetzungen formuliert werden. In dem Beispiel: „Die Logistikkapazität sollte vergrößert werden“. Denn so überspringt man einen Schritt, verliert die eigentliche Handlungsnotwendigkeit für die Nutzer aus den Augen und fokussiert sich schon zu stark auf eine Lösung.

Leitfragen sind:

  • Was ist an der Ausgangssituation problematisch?
  • Welches sind die Probleme, die zu einer Handlungsnotwendigkeit führen?
  • Was bereitet der Organisation aktuell Schmerzen oder kann zu zukünftigen Herausforderungen führen?
Zielsetzung – wo wir hinwollen
Zu jedem Projekt gehört eine konkrete Zielsetzung. Neben der Empfehlung, dass die Ziele SMART zu formulieren sind, finde ich eine Formulierung in Form von Fragen wesentlich handlungsorientierter und konkreter. Denn mit Fragen kann man sich in der Regel besser identifizeren als mit allgemein gehaltenen Zielsetzungen wie „Erarbeitung eines Verbesserungskonzepts“.
Eine klar umrissene Zielsetzung ermöglicht konsequentes Handeln (Photo by Chris Czermak from Pexels)

Zu jedem Projekt gehört eine konkrete Zielsetzung. Neben der Empfehlung, dass die Ziele SMART zu formulieren sind, finde ich eine Formulierung in Form von Fragen wesentlich handlungsorientierter und konkreter. Denn mit Fragen kann man sich in der Regel besser identifizeren als mit allgemein gehaltenen Zielsetzungen wie „Erarbeitung eines Verbesserungskonzepts“.

Man kann auch mehrere Fragestellungen oder Fragenkomplexe formulieren. Beispielsweise können Analysefragen für obiges Beispiel sein: „Welche Schwachstellen existieren aktuell im Versorgungsprozess?“ oder „Was sind Ursachen für hohe Bestände in der Fertigung und Fehler bei Lieferungen?“, während „Welche Ansatzpunkte existieren, um die Kosten je Ladungseinheit im Prozess zu senken?“ oder „Können Instrumente der Digitalisierung eingesetzt werden, um den Informationsprozess zu verbessern?“ Gestaltungsfragen sind. Die Leitfragen-Cluster geben gleichzeitig auch die Struktur bzw. die Meilensteine für die Bearbeitung des Projekts vor.

Leitfragen zur Formulierung der Zielsetzungen sind:

  • Was soll in dem Projekt erarbeitet werden?
  • Welche Leitfrage(n) soll das Projekt beantworten?
  • Was sind die Ergebnistypen bzw. „Deliverables“ des Projekts (also: soll eine neue Prozessmodellierung herauskommen oder eine Liste mit Potenzialen oder eine Maßnahmenliste)?
  • Wie soll der Zustand nach Umsetzung des Projekts aussehen?
Nutzen – was wir uns davon erhoffen
Die ist Konkretisierung des Nutzens ist wichtig, um die Projektziele zu plausibilisieren und mögliche Stakeholder zu identifizieren. Eine große Herausforderung ist oft auch die Abschätzung eines Potenzials.
Die Beschreibung des Nutzens ist das Verkaufsargument für das Projekt (Photo by Nina Uhlíková from Pexels)

Die Konkretisierung des Nutzens ist wichtig, um die Projektziele zu plausibilisieren und mögliche Stakeholder zu identifizieren. Im Sinne der Modellierung von Personas hilft das noch einmal zu reflektieren, ob man auch alle wichtigen Potenziale aufgegriffen hat oder überhaupt die richtigen Ansatzpunkte identifiziert hat.

An dieser Stelle lohnt es sich auch noch einmal den Unterschied zwischen Ziel und Nutzen deutlich zu machen. So ist beispielsweise der Nutzen eines Projekts zur Verbesserung der Liefertreue von Lieferanten nicht etwa die Liefertreue der Lieferanten selbst. Vielmehr ist ein quantifizierbarer Nutzen eine mögliche Senkung der Sicherheitsbestände sowie die damit verbundenen Lager- und Kapitalbindungskosten.

Eine große Herausforderung ist oft auch die Abschätzung eines Potenzials. Denn natürlich ist die tatsächliche Umsetzung unsicher und es wirken viele Einflussfaktoren auf den Projekterfolg. Dennoch ist insbesondere bei Projekten zur Prozessoptimierung das Potenzial das wichtigste „Verkaufsargument“ für das Projekt. Und ich habe oft erlebt, dass Entscheider einen Projektantrag ohne Potenzialabschätzung gar nicht erst näher ansehen.

Ebenso wichtig ist es die Abschätzungssystematik des Potenzials transparent und überprüfbar zu machen. So lässt sich die Wirkung von Einflüssen auf das Potenzial besser beurteilen. Eine Checkliste für Prozessverbesserungen als Grundlage zur Schätzung der Potenziale ist hier zu finden.

Auch bei „strategischen Projekten“ ist eine Quantifizierung des Nutzens sinnvoll. Im Moment fallen Projekte zum Thema Digitalisierung in diese Kategorie. Dabei ergeben sich neben unmittelbaren Nutzen auch manche nicht eindeutige Ausstrahlungseffekte. Eine undifferenzierte Durchführung von Projekten wie im folgenden Fall sollte aber auf jeden Fall vermieden werden. Auf meine Frage an den Logstikleiter, warum im Werk ein Routenzug eingeführt werden soll, bekam ich die sehr ausweichende Antwort, dass es die Geschäftsleitung so wünsche.

Leitfragen zur Nutzenkonkretisierung sind:

  • Was ist der Nutzen des Projekts und für wen sind die Ergebnisse nützlich?
  • Woran ist erkennbar, ob es erfolgreich war?
  • Wie hoch ist der qualitative und quantitative Nutzen?
Vorgehensweise – wie wir da hinkommen
Der letzte Schritt ist die Beschreibung der Vorgehensweise und Meilensteine. Dabei geht es zum einen um die methodische Vorgehensweise und zum anderen um die Aufwände zur Durchführung des Projekts (also das Preisschild zur Kosten-Nutzen-Rechnung).
Die Vorgehensweise will gut geplant sein, um das volle Potenzial heben zu können (Photo by Rok Romih from Pexels)

Der letzte Schritt ist die Beschreibung der Vorgehensweise und Meilensteine. Dabei geht es zum einen um die methodische Vorgehensweise und zum anderen um die Aufwände zur Durchführung des Projekts (also das Preisschild zur Kosten-Nutzen-Rechnung).

Die Offenlegung der methodischen Vorgehensweise ermöglicht eine Beurteilung, ob die Projektziele unter den gegebenen Rahmenbedingungen überhaupt erreichbar sind. So kann eine Analyse von Prozessen durch Interviews oder einen Workshop oder mithilfe von Systemauswertungen durchgeführt werden. Alle Optionen haben spezifische Vor- und Nachteile sowie spezifische Einsatzgebiete. Bei der Frage nach dem Einsatz eines Routenzuges lohnt sich auch eine Analyse der Bedarfsstruktur aus dem System.

Der zweite Aspekt bei der Darlegung der Vorgehensweise ist die Abschätzung des Projektaufwands und der benötigten Ressourcen. Bestenfalls sind auch die Ziele, Nutzenkomponenten und Aufwände bereits verknüpft. Also welche Aktivitäten im Projekt zu welchen Ziele und damit Nutzenpotenzialen führen. Das macht die Definition von Meilensteinen in der Bearbeitung einfacher.

Leitfragen zur Erarbeitung der Vorgehensweise sind:

  • Welche Methoden und Tools führen am besten zum Erreichen der gesteckten Ziele?
  • Wer ist wie in das Projekt eingebunden (Projektorganigramm) und welche weiteren Ressourcen (externes Know-How, Infrastruktur, Sachmittel) werden benötigt?
  • Welche Kosten verursacht das Projekt?
  • Was sind die Meilensteine der Bearbeitung?

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Ausblick und Abgrenzung: User Story – der Projektantrag im agilen Projektmanagement

Auch das agile Projektmanagement, das anders als das klassische Projektmanagement funktioniert, sieht die Definition von Vorschlägen für Vorhaben vor. Diese Aufgabe übernimmt dort die „User Story“. Sie enthalten die Anforderungen eines typischen Nutzers in einfacher Sprache aus Sicht des Nutzers. Im Fokus steht dabei das was der Nutzer mit dem fertigen (Software)Produkt machen kann bzw. welchen Nutzen er daraus zieht.

User Stories sind nach dem Format “Als Nutzer x möchte ich Feature y, damit ich Nutzen z habe”. Mit einer kurzen Beschreibung einer typischen Persona eines Nutzers wird auch der Kontext der Nutzer:innen etwas klarer. Das Feature beschreibt die Funktion, die die Nutzer:innen sich wünschen und der Nutzen beschreibt, den Wert den die Nutzer:innen daraus ziehen können. Ein Beispiel: “Als regelmäßiger Leser dieses Blogs wünsche ich mir Social-Media-Buttons, damit ich interessante Beiträge auf dem Blog mit meinen Freunden und Geschäftspartnern teilen kann”.

Die einfache aus Nutzersicht beschriebene Zielsetzung ermöglicht bzw. erfordert sogar die Diskussion zwischen den Anfordernden und den Entwicklern. Denn für die Umsetzung und die Planung ist das Entwicklerteam zuständig und nicht der Anfordernder (im agilen Kontext: Product Owner). Und durch den menschlichen Austausch werden im Miteinander Deatils deutlich und es können Priorisierungen vorgenommen werden.

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Einen guten Überblick über die Basics zu Prozessmanagement gibt mein Online-Kurs “Prozessdesign – Prozesse analysieren, Verbesserungen identifizieren, Potenziale heben” bei iversity.org

Es gibt auch eine englische Version: “Process design: analyse processes, identify improvements, raise potentials”

Mein neuer Espresso-Kurs zur digitalen Verschwendung: “Digitale Verschwendung in Prozessen identifizieren – eine Workshopmethodik”