Bei der Einführung von Prozessmanagement müssen einige Herausforderungen gemeistert werden

Die erhofften Resultate bei der Einführung von Prozessmanagement sind verlockend: schnellere Time-to-market, effizientere Abläufe oder auch bessere Qualität der Ergebnisse. Deshalb wollen viele Unternehmen ein Prozessmanagement in Ihrem Unternehmen einführen bzw. verankern. Aus meiner Beratungspraxis und vielfältigen Erfahrungen in Seminaren oder bei der Betreuung von Abschlussarbeiten haben sich allerdings einige Herausforderungen gezeigt, die es zu meistern gilt.

Herausforderungen und Fallstricke

Zu hohe bzw. falsche Erwartungen oder kein Zielbild: Prozessmanagement kann sicherlich viel aber auch nicht alles. Es ist kein Allheilmittel für alle Probleme. Und die Einführung sowie die Umsetzung von Ansatzpunkten braucht Zeit; es kann kein Ersatz für eine eventuell nötige schnelle Restrukturierung sein. Wenn zudem unklar ist, wie das Zielbild für das Prozessmanagement aussieht, dann können die vielfältigen anstehenden Aufgaben nur sehr schwer priorisiert werden. In diesem Fall sollten die verfolgten Ziele konkretisiert werden. Beispielhafte Ziele könnten sein: die wachsende Komplexität durch erhöhte Produktvielfalt zu reduzieren oder eine gezielte Digitalisierung zu begleiten (nicht jede prozessuale “Sonderlocke” sollte automatisiert werden).

Prozesse ausschließlich für die eine Zertifizierung aufnehmen: Auch dieser Fallstrick ist häufig vorzufinden: Es steht die ISO-Zertifizierung oder ein anderer Audit an, in dem eine Prozessdokumentation gefordert wird und dann werden schnell alle Prozesse aufgenommen. Das kann aber nur dazu führen, dass der Aufwand der Prozessaufnahme überhaupt keine weitere Wirkung entfaltet. Denn die Anforderungen des Qualitätsmanagements sind nur ein Teil der des Prozessmanagements. Für QM-Zwecke werden in der Regel hauptsächlich die KVP-relevanten Prozesse fokussiert. Zum anderen wird auch der Aufnehmende als Belastung gesehen und nicht als Hilfe. Hier hilft es, sich den Nutzen von Prozessmanagement noch einmal zu verdeutlichen. Nachdem wir die Rolle von Prozessmodellierungen bei der Einführung einer Prozessorientierten Organisation diskutiert haben, hat mir ein Teilnehmer dankbar gesagt: “Jetzt weiss ich endlich wofür ich das mache, was ich seit Jahren mache!”

Prozessmanagement als separate Initiative: Manchmal gibt es Befindlichkeiten oder auch unüberwindbare Abteilungsgrenzen in Organisationen. Das kann dazu führen, dass die Einführung von Prozessmanagement als eine separate Initiative gestartet wird. Eine Abstimmung mit anderen Initiativen oder Programmen wie z. B. Qualitätsmanagement oder Lean aus der Produktion oder ITIL aus der IT heraus findet nicht statt. Es gehen Synergieeffekte verloren. Denn auch wenn die Zielsetzungen der Initiativen ein wenig anders sein mögen, gibt es häufig doch sehr ähnliche Vorgehensweisen und bewährte Instrumente. Die gemeinsame Nutzung kann die Einführung von Prozessmanagement sehr vereinfachen können. Außerdem kann durch ein “Anflanschen” vermieden werden, dass die Initiativen unübersichtlich werden und sich sogar gegenseitig behindern.

Falsches/Kein Prozessmodellierungs- bzw. -management Tool: Die Frage des richtigen Tools als “Heimat” für die Prozesse stellt sich in der Regel früh. Mit Visio, Powerpoint, Word oder Exel können Prozesse modelliert und ggf. auch verwaltet werden aber es gibt bessere Tools. Nachteilig ist z. B. dass in diesen einfachen Tools modellierte Prozesse häufig nur als Bilder ausgetauscht werden können und keine Anschlussmöglichkeiten für spätere Ausführung von Workflows bieten. Zur Modellierung mit BMPN 2.0, einer “Standardsprache” zur Prozessmodellierung gibt es mittlerweile auch vernünftige frei verfügbare Tools.

Zu viele unterschiedliche Standards zur Modellierung von Prozessen: Es existieren eine Vielzahl von Sprachen bzw. Semantiken für die Modellierung von Prozessen, die sich für verschiedene Anwendungsfälle eignen. Dennoch ist eine Konzentration auf wenige sinnvoll, da es so einfacher ist im Unternehmen die selbe “Sprache” zu sprechen und auch Modellierungsexperten flexibler einsetzen zu können.

Keine Verankerung des Prozessmanagements: Ein Punkt der ein funktionierendes Prozessmanagement be- oder sogar verhindern kann ist, dass das Prozessmanagement im Unternehmen nicht verankert ist. Unter Verankern verstehe ich, dass es zum einen definierte und differenzierte Rollen (also nicht nur einen “Prozessmanager”, der sich um alles kümmern muss und die Aufgaben auch “nebenbei” erledigen muss) gibt und zum anderen die Ergebnisse z. B. in Gremien strukturiert genutzt werden. Nur durch die Verankerung können nachhaltige Erfolge erzielt werden.

Unscharfes Kompetenzprofil des Prozessmanagers: Die Aufgaben im Prozessmanagement sind vielfältig und müssen sicherlich auf mehrere Schultern verteilt werden. Dennoch bietet es sich an, einen Verantwortlichen zu definieren, der das Thema zusammenhält und vorantreibt. In manchen Fällen sind das aber nicht zwangsläufig die richtigen Personen. Zu den wichtigsten Aufgaben gehört es sich mit vielen Menschen in der Organisation abzustimmen und je nach Situation zu unterstützen oder Veränderungen auch gegen Wiederstände durchzubringen. Dazu sind Empathie und Kommunikationsfähigkeit nötig. Die Idee, einen konzeptionell brillanten IT-Projektleiter zum Prozessmanagers zu ernennen, ist dann nicht hilfreich, wenn diese Person sich hinter dem Rechner am wohlsten fühlt und mit widersprüchlichen Interessen nichts anfangen kann.

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Schulung machen und dann abwarten, dass es passiert: Ich habe es erlebt, dass Unternehmen für einige Mitarbeiter eine Schulung gemacht haben und dann gehofft haben, dass sich der Prozess verselbständigt. Das ist natürlich Utopie, denn in aller Regel sind Tätigkeiten Prozessmanagement zusätzlich zum Tagesgeschäft zu erledigen und werden nicht extra belohnt. Wieso sollte sich dann also jemand darum kümmern? Was hier fehlt ist das aktive Einfordern von Ergebnissen, die Belohnung von zusätzlichem Engagement oder ganz einfach eine transparente Roadmap für den Einführungspfad.

Keine Quantifizierung von Ansatzpunkten: Ein häufig auftretender Fallstrick ist die fehlende Quantifizierung. Und das gilt sowohl bei der Identifizierung von Schwachstellen also auch bei der Abschätzung und Prüfung der Potenziale. Ich glaube sehr an die alte Weisheit, dass das Potenzial entweder gar nicht da ist oder zumindest ein falscher Wirkungsmechanismus angenommen wird wenn man ein Potenzial nicht quantifizieren kann. Wie Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert werden können wird hier erklärt. Außerdem fällt es dann schwer die Ansatzpunkte zu priorisieren, die einzusetzenden Ressourcen zuzuteilen und auch die Umsetzung vorzubereiten und zu überprüfen.

Weitere Herausforderungen und Fallstricke?

Wenn diese 9 Herausforderungen gemeistert sind, dann steht einer Einführung von Prozessmanagement nichts mehr im Wege. Ich bin gespannt auf Kommentare zu weiteren Fallstricken und wie diese zu vermeiden sind!

Online Kurs zum Prozessmanagement

Wenn Sie diese Herausforderungen auch kennen und wissen möchten, wie man sie vermeiden kann, dann lernen Sie in meinem Online-Kurs bei Iversity in einfachen und praxisorientierten Anleitungen, wie Sie Prozesse umfassend analysieren, Verbesserungsansätze vollständig identifizieren, Potenziale plausibel quantifizieren und Maßnahmen effektiv umsetzen.

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13 clevere Möglichkeiten zur Prozessverbesserung – eine Checkliste

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Einen guten Überblick über die Basics zu Prozessmanagement gibt mein Online-Kurs “Prozessdesign – Prozesse analysieren, Verbesserungen identifizieren, Potenziale heben” bei iversity.org

Es gibt auch eine englische Version: “Process design: analyse processes, identify improvements, raise potentials”

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