Die Aufgaben des Prozessmanagements und damit die von Prozessmanagerinnen und Prozessmanagern sind so vielfältig wie Branchen und Geschäftsmodelle und so unterschiedliche wie die Reifegrade von Prozessen und Organisationen. In unseren Weiterbildungen zum Prozessmanagement starten wir als Icebreaker oft mit einer Gruppenarbeit zur Entwicklung einer Stellenbeschreibung für Prozessmanagerinnen oder Prozessmanagern. Die Ergebnisse sind höchst interessant!
Denn oft ist die Erkenntnis, dass man als ProzessmanagerIn ein sehr breites Spektrum an Kompetenzen und Fähigkeiten braucht. In diesem Zusammenhang fällt dann oft der Begriff „Eier-legende Wollmilchsau“. Das spiegelt auch eine Studie aus dem angelsächsischen Raum zu Rollenbezeichnungen im Prozessmanagement wider. Es gab über 100 Verschiedene! Eine Auswahl: Head of Process Improvement, Director IT&Process Management, Director Marketing BPM, Principal Process & Performance Management, Manager Business Process Services, Process Development Manager.
Vor diesem Hintergrund soll der Beitrag eine Hilfe sein um Prioritäten richtig setzen zu können. Dazu bringt der Beitrag die Tätigkeitsschwerpunkte von ProzessmanagerInnen anhand eines Reifegradmodells in eine logische Struktur, beschreibt die Aufgaben von ProzessmanagerInnen, illustriert die Verankerung der Rollen des Prozessmanagements in Organisationen und zeigt Entwicklungspfade zu Aufbau eines Prozessmanagements auf. Und schließlich erklärt Sebastian Bach als Head of Global Business Process Management der Lindy-Elektronik GmbH, was Prozessmanagement mit GameBoy spielen zu tun hat und Heidi Pschibilla von der Krones AG berichtet, wie sie mit Ihrem Team als Prozessmanagerin die komplexen Prozesse eines S-DAX-Unternehmens in den Griff bekommt.
Der Beitrag verwendet im Folgenden zur besseren Lesbarkeit die generische Maskulinform, meint aber damit alle Geschlechter gleichermaßen.
Tätigkeitsschwerpunkte des Prozessmanagements entlang den Reifegraden einer Organisation
Die in der Literatur (hier insbesondere der Common Body of Knowledge zum Business Process Management der European Association of Business Process Management EABPM) genannte primäre Aufgabe des Prozessmanagements ist End-to-End-Prozesse zu entwerfen, zu analysieren, einzuführen, zu steuern und kontinuierlich zu verbessern. Eine weitere Aufgabe ist der Aufbau einer Prozess-Governance. Hierzu sollte das Prozessmanagement Strategien, Ziele, Kultur, Organisationsstrukturen, Rollen, Grundsätze, Regeln, Methoden und IT-Werkzeuge betrachten und gestalten.
Das klingt zwar sehr umfangreich und strukturiert, aber eher theoretisch und wenig praxisorientiert. Deshalb werden die sehr verschiedenen Aufgaben anhand der Stufen des CMMI-Reifegradmodells konkretisiert. Denn der Reifegrad bzw. der Stand des Prozessmanagements können auch eine logische Struktur für die Tätigkeitsschwerpunkte des Prozessmanagers vorgeben.
Das CMMI-Reifegradmodell unterscheidet die folgenden Stufen
- Initial
- Geführt
- Definiert
- Quantitativ Geführt
- Prozessoptimierung
Den Reifegrad Initial hat jede Organisation automatisch, es gibt keine Anforderungen daran. Geführt bedeutet, dass Projekte durch Manager geführt werden und ähnliche Projekte auch erfolgreich wiederholt werden können. Den Reifegrad Definiert erreichen Organisationen wenn sie Projekte nach einem angepassten Standardprozess durchführen und es eine organisationsweite Prozessverbesserung gibt. Quantitativ Geführt bedingt eine statistische Prozesskontrolle. Den Reifegrad Prozessoptimierung erreicht eine Organisation dann wenn die Arbeit und Arbeitsweise auf Basis der quantitativen Messgrößen verbessert werden.
1. von Initial zu Geführt
Der erste Schritt besteht darin Leitlinien für häufig bisher ad hoc und chaotisch durchgeführte Arbeitsabläufe zu setzen. Durch Prozessdisziplin sollen Fachleute mit ausreichenden Ressourcen gesteuert, relevante Stakeholder einbezogen und Ergebnisse kontrolliert produziert werden. In diesem Schritt stehen folgende Tätigkeitsschwerpunkte im Rahmen der Prozessorganisation und Prozessführung im Fokus:
- Prozessorganisation, insbesondere
- Identifizierung der wichtigsten Geschäftsprozesse (Welches sind die wichtigsten Kern-, Unterstützung- und Managementprozesse)
- Definition von Rollen und Verantwortlichkeiten (Welche Rollen gibt es im Prozessmanagement und wer füllt diese aus?)
- Klärung der Beziehung der Geschäftsprozesse und der Aufbauorganisation (welche Geschäftsprozesse sind welcher Organisationseinheit zugeordnet?)
- Prozessführung mit Fokus auf Verhalten, Motivation und Kommunikation (Wie werden Handlungsanweisungen kommuniziert und die Motivation der Mitarbeiter aufrecht erhalten?)
Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einem Mitarbeiter in einem schnell wachsenden Online-Handelsunternehmen. Die Herausforderungen dort stehen stellvertretend für die Herausforderungen in diesem Schritt. Die Problematik war, dass das Unternehmen viel zu schnell gewachsen ist (eigentlich ein Luxusproblem) und sich die Komplexität (neue Kundengruppen, neue Vertriebskanäle, neue Mitarbeiter) schnell erhöht hat. Die Folge war, dass Führungskräfte und Mitarbeiter Gefahr laufen, den Überblick zu verlieren und falsche Entscheidungen oder Priorisierungen treffen. In einer solchen Situation ist es wichtig den Überblick zu schaffen, also ein „Prozessinventar“ zu machen. Ein geeignetes Instrument dazu ist die Prozesslandkarte.
2. von Geführt zu Definiert
Wenn es eine Organisation im Reifegrad Geführt geschafft hat, anforderungsgerechte Ergebnisse zu erzielen, geht es im Reifegrad Definiert darum, für den Weg zu den Ergebnisse konsistente Standards, Prozessbeschreibungen und Vorgehensweisen für die gesamte Organisation zu schaffen. Diese organisationsweit geltenden Standards geben die spezifische Vorgehensweise für ein bestimmtes Projekt vor. Für einen definierten Prozess werden der Zweck, die Eingangsgrößen, Eingangskriterien, Tätigkeiten, Rollen, Messgrößen, Verifizierungsschritte, Ergebnisse und Ausgangskriterien deutlich beschrieben.
Die Tätigkeitsschwerpunkte des Prozessmanagements liegen in diesem Schritt ganz klar in der Prozessorganisation und zwar in der Modellierung und Prozessoptimierung mit ggf. einem grundlegenden Reengineering (z. B. Aufbau eines Shared Service Centers für ausgewählte interne Dienstleistungen) auch unter Zuhilfenahme geeigneter Tools.
Ein Beispiel für ein Unternehmen, das gerade diesen Schritt erfolgreich meistert, ist ein international operierendes Handelsunternehmen für Elektronikprodukte. Es war erfolgreich und profitabel in den verschiedenen Märkte. Mit zunehmender Kunden- und Lieferantenanzahl und wachsender Komplexität in den ERP-Systemen hat man erkannt, dass organisationsweite Standards hilfreich sind. Man begann Prozesse für einen Standort aufzunehmen und sie mit einem Prozessmanagement-Tool konsistent zu modellieren. Der Nutzen liegt in der Erhöhung der Abwicklungsqualität für den Kunden.
3. von Definiert zu Quantitativ Geführt
Der Schritt von Definiert zu Quantitativ Geführt ist einer der Schwierigsten. Denn dabei werden quantitative Ziele für die Prozessleistung etabliert und als Steuerungsgrößen eingesetzt. Im Unterschied zum Reifegrad Definiert soll somit die Vorhersagbarkeit von Prozessergebnissen für die wichtigsten Kern- oder Teilprozesse sicher gestellt werden.
Der Tätigkeitsschwerpunkt des Prozessmanagements liegt hier im Prozesscontrolling, insbesondere in den folgenden Punkten:
- Festlegung von Prozesszielen und Messgrößen für die wichtigsten Teilprozesse (z. B. Durchlaufzeiten, Fehler bzw. Reklamationen oder Liefertreue für logistische Prozesse)
- Messung und Kontrolle der Prozessleistungen (z. B. mit Hilfe möglichst automatisierter Auswertungen) und
- Einführung eines Prozessberichtswesens (z. B. Reports für die Process-Owner oder Einführung eines Shopfloor-Managements)
Ein gutes Beispiel für Quantitativ Geführte Prozesse ist ein Unternehmen aus der Finanzdienstleistung, das für mehrere Gruppen im Abwicklungsbereich eine „Bundesligatabelle“ eingeführt und in den Kommunikationsbereichen im Büro veröffentlicht hat. Ein anderes Beispiel aus der Logistik ist die Einführung eines Shopfloor-Managements für ein Distributionszentrum, in dem Ersatzteile versendet werden. Auch hier werden in den zentralen Bereichen die wichtigsten Kennzahlen wie fehlerhafte Picks oder Produktivität veröffentlicht. Auf dieser Basis kann z. B. die Personaleinsatzplanung gemacht oder der Servicegrad zum Kunden gesteuert werden.
4. von Quantitativ Geführt zu Prozessoptimierung
Wenn eine Organisation den nach dem CMMI-Modell höchsten Reifegrad erreichen möchte geht es darum, dass eine Organisation kontinuierlich ihre Prozesse auf der Grundlage eines quantitativen Verständnisses ihrer Geschäftsziele und Leistungsbedürfnisse verbessern kann. Dabei steht die Gesamtleistung der Organisation im Fokus. Aufgedeckte Mängel aus Daten und Analysen in verschiedenen Prozessen regen zu organisationsweiten Prozessverbesserungen an statt nur den jeweiligen Prozess zu verbessern. Um das zu erreichen, liegen die Tätigkeitsschwerpunkte des Prozessmanagements in den folgenden Punkten:
- Prozessoptimierung, insbesondere der Einführung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP)
- Prozesscontrolling, insbesondere der Durchführung von Prozessassessments
- Prozessführung mit Fokus auf der Kultur in den Prozessen
Ein Beispiel für den erfolgreichen Vollzug dieses Schrittes für eine Einkaufsorganisation ist die Siemens AG mit der Initiative World Class Purchasing. Der Kern ist ein Reifegradassessment der Prozesse in den weltweit verteilten Einkaufsorganisationen. Siemens hat verschiedene Prozessbereiche definiert und ein eigenes Reifegradassessment erarbeitet mit dem turnusmäßig alle Einkaufsorganisationen bewertet werden. Auf Basis der Ergebnisse und einer gemeinsamen Festlegung von Zielen begleitet ein koordinierter Erfahrungsaustausch die Umsetzung der Maßnahmen zur Zielerreichung. Die Kulturdimension, insbesondere die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit anderen Funktionalbereichen und die interne Informationsweitergabe spielt dabei auch eine wichtige Rolle.
Aufgaben eines Prozessmanagers oder einer Prozessmanagerin
Die oben beschriebenen Tätigkeitsschwerpunkte entlang der Reifegrade geben Hinweise auf die Aufgaben eines Prozessmanagers. Ein Prozessmanager ist im laufenden Betrieb verantwortlich für die Integration und Weiterentwicklung des Prozessmanagements im Unternehmen. Die Rolle heißt deshalb manchmal auch Chief Process Officer. Das mögliche Tätigkeitsspektrum eines Prozessmanagers ist sehr breit:
- Strategie und Planung
- Entwicklung und Aktualisierung des unternehmensspezifischen Prozessmodells sowie der Process Governance (Regeln, Vorschriften, Werte und Grundsätze des Prozessmanagements)
- Ermittlung von Reifegrad und Wirkung sowie Anpassung und Verbesserung des Prozessmanagementsystems auf Basis von strategischen und operativen Zielen
- Planung der Prozessstrategie und Abstimmung mit der IT-Strategie
- Koordination und Integration
- Koordination unternehmensübergreifender Geschäftsprozesse z. B. im Rahmen des Supply Chain Managements
- Integration von Prozessmanagement mit anderen Querschnittsinitiativen wie dem Qualitätsmanagement, dem Lean-Management oder Compliance- Risikomanagement
- Vertretung des Prozessmanagements und dessen Interessen in internen und externen Gremien
- Prozessinfrastrukur
- Organisation und Leitung eines Prozessmanagement-Councils
- Auswahl und Bereitstellung von Prozessmethoden und -tools
- Aufbau und Leitung eines Prozessmanagement-Office (Pflege und Dokumentation von Prinzipien, Praktiken und Standards und Koordination des Einsatzes von Prozessmanagement-Experten oder Business-Analysten, die kleine Prozessdesign- oder Prozessoptimierungsprojekte leiten)
- Services und Prozessoptimierung
- Koordination prozessübergreifender Verbesserungsprojekte sowie Lösung von Problemen zwischen Prozessen (z. B. zwischen Einkauf und Logistik über Beschaffungsmodelle oder Outsourcing-Vorhaben)
- Standardisierung und Assessment der Geschäftsprozesse
- Prozessberatung und Internes und externes Prozess-Benchmarking
- Prozesscontrolling (z. B. Definition von Kennzahlen, Erstellung des Prozessberichtswesens, Identifikation von Schwachstellen)
- Training und Weiterbildung
- Organisation eines Best Practice Sharing (z. B. Prozess-Wiki, Round-Tables)
- Prozess- und Methodentrainings
Die konkreten Aufgaben hängen wie oben beschrieben vom Reifegrad der Prozessorganisation ab oder von den individuellen Prioritäten der Organisation.
Weitere Rollen im Prozessmanagement und Verankerung in der Organisation
Aufgrund der Breite und Komplexität des Aufgabenspektrums bedarf es einer breit angelegten Verankerung des Prozessmanagements in der Organisation. Denn alleine ist ein Prozessmanager oder eine Prozessmanagerin oft machtlos. Bei der Definition von Rollen im Prozessmanagement sollte die Schnittstelle zu den Fachabteilungen im Fokus stehen. In der Literatur und in Unternehmen findet man eine Vielzahl verschiedener Rollen. Die häufigsten sind Process-Owner, Moderatoren in Fachabteilungen, Prozessmitarbeiter und Prozess-Sponsoren bzw. Prozess-Champions.
Prozess Owner: Ein Process-Owner ist eine ganz klassische Rolle in prozessorientierten Organisationen. Im Idealbild ist der Process-Owner als Führungskraft für den reibungslosen Ablauf und die Weiterentwicklung seines bzw. ihres Prozesses verantwortlich. Häufig fällt in diesem Zusammenhang auch der Begriff End-to-End. Das bedeutet, dass der Prozess-Owner möglichst für den gesamten Prozess vom Kunden zum Kunden verantwortlich ist. Der Process-Owner entscheidet über das Prozessdesign, legt Rechenschaft über die Prozessleistung ab und vertritt auch die Interessen „seiner“ Mitarbeiter im Prozess gegenüber den diversen internen und externen Stakeholder (Top-Management, Kunden, Lieferanten etc.). In Matrix-Organisationen teilt sich der Process-Owner die die Verantwortung mit den Funktionalverantwortlichen.
In funktional aufgestellten Organisationen (bei denen wichtige Kernprozesse oft funktionale Grenzen überschreiten) kann ein Lead-Prozess-Owner unter dem wichtigsten funktionalen Verantwortlichen angesiedelt werden. So kann beispielsweise ein Supply Chain Manager unter dem Produktions- oder Vertriebsleiter angesiedelt werden. Eine andere Alternative ist bei funktionalen Organisationen den Process-Owner auf einer Ebene neben die funktionalen Verantwortlichen mit direkter Berichtslinie an die Geschäftsleitung und der fachlichen Verantwortung für die Prozesse zu installieren. Beide Optionen haben aber Vor- und Nachteile. Wichtig ist aber bei dieser Rolle auf jeden Fall die Kompetenz Anweisungen zur Prozessdurchführung erteilen zu können. Wenn das nicht der Fall ist, sollte die Rolle eher als Prozesskoordinator bezeichnet werden.
Moderator in den Fachabteilungen: Oft ist ein wenig Autarkie ein Wunsch der Fachabteilungen. Hier ist es hilfreich, wenn ein Mitarbeiter aus einer Fachabteilung in der Lage ist einen Prozessworkshop selbst zu moderieren oder einen Prozess zu modellieren. So können Fachabteilungen Ideen oder Anforderungen aus ihrer Sicht bereits in einer guten Qualität formulieren. Dazu sollten die Mitarbeiter die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten (Kenntnisse der genutzten Modellierungssprache und -Tools sowie Erfahrung in der Moderation von Workshops) haben. Eine solche Rolle kann auch als (fachlicher) Prozessmanagement-Experte bezeichnet werden.
Prozessmitarbeiter: Mitarbeiter in den Prozessen führen die Aufgaben aus. Gleichzeitig können sie Verbesserungen am besten anstoßen, da sie die Prozesse am besten kennen. In verschiedenen Philosophien (z. B. Lean, TQM) wird diese Aufgabe ebenfalls hervorgehoben. Als Fachexperten sind sie auch in Verbesserungsprojekte eingebunden und spielen eine tragende Rolle im Change-Management bei der Einführung neuer Vorgehensweisen. Wenn die Mitarbeiter interessiert sind, können sie sich durch Schulungen zum Moderator ausbilden lassen.
Prozessmanagement-Sponsor oder Prozess-Champion: Diese Rolle übernimmt ein Mitglied der Geschäftsleitung. Die Aufgabe besteht im wesentlichen in der hierarchischen Unterstützung des Prozessmanagements. Dazu gehören neben der Definition der Vision und Strategie für das Prozessmanagement, der Abnahme der Prozessleistungen und der Validieren und Priorisierung der Themen für das Prozessmanagement auch die Bereitstellung der benötigten Ressourcen.
Die Rolle von Gremien oder Jour Fixes im Prozessmanagement
Gerade für ein Querschnittsthema wie das Prozessmanagement ist es wichtig, die Koordinationsinstrumente Gremien oder Jour Fixes zu nutzen. Denn jeder kennt das: Dringliches geht vor Wichtigem. Und so ist es auch im Prozessmanagement. Wenn eine Rolle neben dem hauptsächlichen Tagesgeschäft ausgefüllt wird, fallen wichtige Aktivitäten wie die Arbeit an Prozessen oft hinten herunter, denn die täglichen Dinge sind wichtiger und die operativen Stakeholder schreien einfach lauter. Umso wichtiger ist es, sich turnusmäßig Inseln im Kalender zu blocken. Sie motivieren immerhin ein wenig sich im Vorfeld des Termins darauf vorzubereiten. Und es werden wichtige Dinge zu Prozessen besprochen und angestoßen.
Ein wichtiges Gremium ist das Prozess-Council. Es ist das zentrale Koordinierung- und Entscheidungsgremium und priorisiert und steuert die Aktivitäten im Prozessmanagement. Weiterhin überwacht und analysiert es die Ergebnisse des Prozesscontrollings und macht auf dieser Basis Vorschläge zu Optimierungsansätzen wie z. B. Digitalisierung oder Outsourcing. Mitglieder sind neben dem Prozessmanager, der das Gremium organisiert und leitet, die Process-Owner bzw. Funktionalverantwortlichen und der Prozessmanagement-Sponsor aus der Geschäftsleitung. in kleineren Unternehmen kann das Prozess-Council auch als eine spezielle Sitzung des Management-Teams terminiert werden.
Auf der operativen Ebene können für besonders wichtige, umfassende und kundensensitive Prozesse Prozessteams eingerichtet werden. Das Prozessteam besteht aus Teilprozessverantwortlichen und Experten und unterstützt den Process-Owner. Solche Gremien können auch sehr unterschiedlich verfasst sein: von klassischen bis hin zu agilen Strukturen ist alles denkbar: Auf der einen Seite reicht es in einigen Fällen völlig aus, wenn man sich in bestehenden und bewährten Strukturen in wöchentlichen oder quartalsweisen Jour Fixes mit den relevanten Mitarbeitern trifft und Anregungen und weitere Vorgehensweisen für den Prozess austauscht. Kurzfristiger und noch operativer sind Shopfloor-Meetings, in denen im Tages- oder sogar Schichtrhythmus der Status von Prozessen besprochen wird. Und im Rahmen von agilen Strukturen könnte man auch DevOps – also die intensive und oft agil strukturierte Zusammenarbeit von Softwareentwicklung und IT-Betrieb – im weitesten Sinne als Beispiel für solche Prozessteams sehen. Denn DevOps kann auch als eine bereichsübergreifende, unternehmensweite Zusammenwirkung der Manager, Entwickler, Tester und Administratoren unter Einbeziehung der Kunden verstanden werden.
Der Weg zum Ziel
Die vorherigen Abschnitte haben das Idealbild eines Prozessmanagements umrissen. Oft stehen Unternehmen aber vor der Herausforderung, dass die ersten Schritte zum individuellen Idealbild unklar sind. In diesem Abschnitt möchte ich einige Pfade skizzieren, wie der Weg zur Etablierung eines Prozessmanagers aussehen könnte. Diese Pfade basieren auf meiner Prozessmanagent-Praxis und setzen häufig an bereits existierenden Profilen auf. Man muss dabei den Unternehmenskontext und einige Knackpunkte beachten.
IT-affiner Prozessmanager: Manche Unternehmen versuchen einen Prozessmanager aus der IT aufzubauen. Das ist sinnvoll für Unternehmen, deren Infrastruktur stark auf IT aufbaut. In diese Kategorien fallen z. B. Finanzdienstleister oder Plattformen aller Art. Der Vorteil ist, dass der Prozessmanager nah an den Ressourcen zur Umsetzung ist. Gefahren sind aber, dass fachliche Aspekte nicht gut genug eingeschätzt werden können und auch eine unterstützende Rolle häufig schwer vertreten werden kann, da die Verteilung knapper IT-Ressourcen gesteuert werden muss.
Prozessmanagement aus dem Vertrieb: Unternehmen, die sehr projektbasiert arbeiten, haben manchmal eine Rolle im Vertrieb angesiedelt, die sich mit der Prozesssteuerung beschäftigen. Ein Beispiel ist ein mittelständisches Unternehmen, das Schaltschränke nach individuellem Kundenwunsch fertigt. Das hat mehrere Vorteile: Erstens wird eine starke Ausrichtung auf den Kunden gewährleistet. Und zweitens ist im Zusammenhang damit auch die Voraussetzung für eine End-to-End-Betrachtung von Prozessen gegeben. Aufpassen muss man aber, dass die Zusammenarbeit mit den „internen“ Abteilungen konstruktiv bleibt und man sich nicht in Grabenkämpfen um Ressourcen oder Schnittstellen verliert.
Qualitätsmanager: In manchen, häufig produzierenden Unternehmen mit Serienfertigung wird die Rolle des Qualitätsmanagers erweitert. Das macht dort viel Sinn, denn zum einen haben Serienfertiger oft schon Ideen aus dem Lean- oder Qualitätsmanagement implementiert. Das bedeutet, dass es dort bereits gute Strukturen gibt auf die man zurück greifen kann. Auch die Moderations- und Kommunikationskompetenz ist häufig bei den Personen schon vorhanden. Andererseits besteht ein wenig die Gefahr, dass der übergeordnete und unvoreingenommene Blick auf die gesamte Organisation verloren geht, da das Qualitätsmanagement sehr starken Fokus auf die operativen Wertschöpfungsprozesse hat.
Prozessmanager als SCRUM-oder OKR-Master: Denkbar ist auch die Rolle eines Prozessmanagers in Anlehnung an agile Ideen als eine Art SCRUM-Master auszurichten. Es gibt auch Ansätze wie Prozesse durch eine agile Vorgehensweise verändert werden. Die Aufgabe der Rolle besteht darin, den Transformationsprozess zu moderieren und Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Ein Vorteil dabei ist sicher, dass eine so ausgerichtete Rolle einen unvoreingenommenen Blick hat. Allerdings sehe ich die Gefahr, dass eine Lösung von Konflikten z. B. um personelle Ressourcen in einigen Fällen nicht durch eine Konsens-Lösung erreicht werden kann und gerade bei komplizierten Prozessen (nicht komplex!) eine agile Vorgehensweise nicht zu befriedigenden Ergebnissen führt.
Inhouse-Consulting: Auch denkbar ist, dass eine interne Unternehmensberatung den Job des Prozessmanagements übernimmt. Vorteile dabei sind, dass die Inhouse-Consultants das Unternehmen in der Regel bereits gut kennen, Erfahrung in Konzeption und Umsetzung haben und in der Regel eine Vielzahl der nötigen Kompetenzen mitbringen. Nachteilig könnten Rollenkonflikte und fehlende Akzeptanz (z. B. durch vorherige Restrukturierungsprojekte) sein.
Business-Development: Bei Start-ups bei denen entweder noch keine feste Strukturen vorhanden sind oder eine dynamische Veränderung an der Tagesordnung ist, kann das Business-Development am ehesten die Rolle eines Prozessmanagers ausfüllen. Denn das Business-Development hat einen Überblick über die gesamte Organisation und es ist auch nah an der Geschäftsführung dran, sodass Priorisierungen effektiv vorgenommen werden können. Beispiele hierfür sind OneStop Pro oder anybill.
Wenn Sie mehr über Prozessmanagement erfahren wollen empfehle ich Ihnen mein Lehrbuch bei SpringerGabler oder meinen Online-Kurs bei Iversity.org. Die Links in diesem Block sind Affiliate Links. Sie zahlen für die verlinkten Produkte nichts zusätzlich aber unterstützen damit meinen Blog, den ich gerne möglichst kostenfrei halten möchte.
Mein Lehrbuch beschreibt anwendungsorientiert die Grundlagen, Methoden und Instrumente des Prozessmanagements in Einkauf und Logistik. Außerdem stellt es mit Lean Management, Logistik-Controlling, Industrie 4.0 und Outsourcing viele Konzepte zur Optimierung von Prozessen vor. Zahlreiche Beispiele und Fallstudien ermöglichen einen anschaulichen Einblick in die praktische Umsetzung.
Weitere sinnvolle Dinge, die ein Prozessmanager immer brauchen kann, sind:
- andere Bücher zum Prozessmanagement (Man kann nie genug Sichtweisen auf Herausforderungen haben oder genug Tools im Rucksack),
- Pinnwände bzw. Brown-Paper-Walls (besonders gut darauf sind selbstklebende Moderationskarten),
- Moderationskoffer (immer vor jedem Workshop checken, ob die Stifte noch schreiben),
- Delegation-Poker-Karten (Wie Delegation-Poker funktioniert erkläre ich hier),
- oder andere Produkte, die es bei Amazon für Geschäftskunden gibt.
Stimmen aus der Praxis
Sebastian Korbinian Bach, Head of Global Business Process Management bei der Lindy-Elektronik GmbH hat unseren Zertifikatskurs Business Process Manager absolviert. Mit ihm habe ich mich über seine Erfahrungen nach nun gut zwei Jahren unterhalten.
TL: Sebastian, sag doch ein paar Worte über Dich
SB: Ich arbeite seit ca. 6 Jahren bei LINDY in Mannheim und verantworte den Bereich Business Process Management, welcher sich auf die globalen Prozesse der gesamten Unternehmensgruppe bezieht. Zudem bin ich lokal in Mannheim zuständig für den Bereich Product Management, dem auch der gesamte Tech Support sowie Quality Control zugeordnet ist.
Ich bin 35 Jahre alt, seit nun fast genau einem Jahr glücklich verheiratet und Vater eines wundervollen Sohnes. Meine Leidenschaft gilt neben meiner Familie und der Musik, der detaillierten Dokumentation bestehender strategischer und operativer interner sowie kundenbezogener Unternehmensprozesse, als auch der darauf folgenden KVP-orientierten Zusammenarbeit mit allen Beteiligten.
Mein Ziel besteht darin, theoretische und praktische Orientierungshilfen zu geben, um den Einsatz des Menschen, der wertvollsten Ressource eines Unternehmens, zu verbessern. Dies wird am Ende zu einem der wichtigsten Erfolgsfaktoren eines Unternehmens führen: Zeit und Kosten zu sparen. In den meisten Unternehmen sind kleinere und sehr oft unsichtbare Schwachstellen, insbesondere bei der Zusammenarbeit verschiedener Abteilungen, die Gründe für die Verlangsamung des „Big Pictures“.
TL: Du bist der Prototyp eines Prozessmanagers. Was würdest Du sagen, sind Deine Top 3-5 Aufgaben?
SB: Da ich neben dem Prozessmanagement auch noch den gesamten Bereich Business Process Management verantworte, sind meine Aufgaben nochmals etwas komplexer als die eines reinen Prozessmanagers. Dennoch sind die folgenden Punkte auch Hauptbestandteil eines Prozessmanagers:
- An erster Stelle stehen die zahlreichen Workshops, die zur Prozessaufnahme, sprich, der visuellen Modellierung im Prozesstool, gehören. Dem voraus ging meinerseits eine ausgiebige Reifegradmessung, um mir erstmal ein Bild des Status Quo zu verschaffen, um dann alle Abteilungen aber auch Bereiche innerhalb einer Abteilung den entsprechenden 5-Stufen einer Reifegradmessung zuzuordnen.
- Da wir u.a. im Produktmanagement bereits alle Prozesse dokumentiert haben, sind wir hier bereist einen Schritt weiter. Sprich, die Prozesse werden bereits ausgeführt, überwacht und optimiert. Die hierzu gehörenden Aufgaben sind sehr vielfältig. Ein einfaches Beispiel wäre die Automatisierung von aktuell manuell durchgeführten Prozessen in Zusammenarbeit mit IT (Process Engineers). Das kann z.b. die automatische Ablage oder Weitergabe von Daten, die dann im Folgeprozess benötigt werden, sein. Ein weitaus komplexeres Thema wäre die komplette Prozessarbeit bzgl. der Einführung eines neuen Tools (bspw. PIM: Product Information Management), was die komplette Überarbeitung aller dazugehörigen abteilungsübergreifenden Prozesse beinhaltet.
- Ein weiterer wichtiger Punkt, ist die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Jeder Mitarbeiter hat eine oder verschiedene Rollen. Erst vor kurzem haben alle bereits fest verankerten Prozessmanager den Kurs zum Thema Prozessmanagement absolviert. Auch ich als Head of Global Business Process Management musste mir erstmal einige Kompetenzen aneignen. Hierzu gehörte z.B. die Absolvierung des Business Process Manager – Kurses an der OTH in Regensburg, bei dem ich Dich ja auch kennen gelernt habe.
- Da für jedes Unternehmen auch ein entsprechendes Tool genutzt werden sollte, muss dies auch verwaltet werden. Dazu gehört z.B. die Verwaltung der Nutzer, die Zuordnung der Rollen oder auch die Durchführung von Reportings oder Freigabe-Workflows. Wir selbst nutzen hier ein sehr flexibles und für uns perfekt abgestimmtes Tool des Unternehmens SmartProcess (CWA).
- Auch Lean Management bestimmt einen großen Teil meiner Arbeitszeit. Methoden wie die Five Why’s oder die Five S sind neben der permanenten Überwachung sowie Reduzierung aller Verschwendungstypen mittlerweile ein fester Bestandteil meiner täglichen Arbeit.
Es gibt natürlich noch zahlreiche weitere Themen in die ein Prozessmanager mit einbezogen wird. Wir haben z.B. auch ein internes Handbuch zum Thema Prozessmanagement, welches von mir im Zuge der Einführung verfasst wurde. Auch hier habe und beziehe ich auch weiterhin alle Prozessmanager sowie alle Mitarbeiter mit ein um das Handbuch stetig weiter zu entwickeln. In diesem Handbuch werden sowohl generelle Themen, wie „Was sind Prozesse und warum benötigen wir diese?“, Lean Management – Methoden, als auch Themen die sich speziell auf das Prozesstool und die Modellierung darin beziehen bearbeitet. Das Handbuch ist speziell auf unser Unternehmen abgestimmt und steht Aufgrund dessen, dass auch jeder an der Weiterentwicklung beteiligt ist, jedem zentral im Prozesstool zur Verfügung.
TL: Wie bist Du das geworden? Stand das immer schon auf Deiner Karriereagenda?
SB: Tatsächlich stand das bis vor ca. 3 Jahren nicht auf meiner Agenda. Ich war vor ein paar Jahren erstmal auf der Suche nach einer geeigneten Methode, um mir führungstechnisch bzgl. Product Management den besten Überblick zu verschaffen. Mein Ziel war jeden Arbeitsschritt im Detail zu verstehen, um dann nach und nach alle Probleme zu lösen und Bestehendes weiter zu entwickeln. Was damals dann schon eine Art Prozessmanagement war – nur war mir das noch nicht so bewusst.
Ich habe das Glück, dass aufgrund der jährlichen ISO-Zertifizierung, bereits Prozesse und oder Arbeitsanweisungen existierten. Auch das Tool wurde aufgrund dessen bereits während meiner ersten Jahre bei LINDY für die ISO-Zertifizierungen eingeführt und genutzt. Das eigentliche Potenzial des Tools und die nun damit verbundene Prozessarbeit war mir damals noch nicht klar. Ich habe einige Bücher zum Thema Prozessmanagement gelesen, habe viele Gespräche mit den unterschiedlichsten Personen geführt und nach und nach hat sich dann alles daraus entwickelt.
Ich habe zudem mit LINDY ein Unternehmen an meiner Seite, was das Thema Weiterbildung super unterstützt hat und auch weiterhin unterstützt. Wie oben erwähnt, habe ich u.a. den Business Process Mananger an der OTH absolviert. Wir haben uns meiner heutigen Rolle Schritt für Schritt angenähert – heute bin ich verantwortlich für den gesamten Bereich der LINDY Gruppe – Worauf ich sehr stolz bin 😊. An der Stelle auch ein dickes Dankeschön an LINDY, die mir dies ermöglicht haben. Zudem war auch der Kurs an der OTH in Regensburg ein Wendepunkt meiner Karriere, den ich so nie erwartet hätte.
TL: Welche Kompetenzen sind dabei besonders wichtig?
SB: Für mich persönlich, und das beachten wir nun auch immer bei der Ausbildung entsprechender Prozessmanager, spielt Kommunikation eine der größten Rollen. Man arbeitet als Prozessmanager mit sehr vielen unterschiedlichen Menschen und wir alle wissen wie wichtig es ist, dass beide verstehen wovon man spricht. Man kann dem einen etwas in 1 Minute erklären – ein anderer benötigt hier nochmals einen kurzen Workshop. Und das ist auch völlig in Ordnung so! Zudem sollte man ein abteilungsübergreifendes Grundverständnis mitbringen. Was oft von z.B. motivierten Auszubildenden, die alle Abteilungen während der Ausbildung durchlaufen, mitgebracht wird.
Des Weiteren sollte man in der Lage sein an sehr vielen Themen gleichzeitig zu arbeiten, die auch immer wieder von weiteren unterbrochen werden können. Extrem strukturiertes Arbeiten ist daher für mich auch einer der wichtigsten Kompetenzen. Und natürlich: Selbst der beste Prozess kann unter Umständen plötzlich nicht mehr funktionieren und muss ggfls. angepasst werden. Corona lässt grüßen… Daher ist die Offenheit gegenüber Veränderung unabdingbar.
Ich sehe kein Studium oder eine Standardausbildung, die alles abdeckt, was ein Prozessmanager mitbringen sollte. Man lernt die Aufgaben quasi „on the Job“ und dieser Prozess endet eigentlich nie. Dennoch gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wie Bücher und auch Weiterbildungen, die einen unterstützen können. Auch Mentoren sind hier extrem wichtig. Man wird sehr oft an bestimmte Punkte kommen, die man erstmal nicht einordnen kann. Hierbei sind Erfahrungswerte Gold wert!
TL: In unseren Seminaren geht es ja auch um die organisatorische Verankerung von Prozessmanagement. Wie sieht das bei euch aus? Also: wer hat welche Rolle im Prozessmanagement?
SB: Ich erkläre unsere Struktur am besten anhand unseres Organigramms, das – vereinfacht – die vier Hierarchiestufen Geschäftsführung, Bereichsleitung, Teamleitung und Mitarbeiter umfasst. Die einzelnen Rollen und alle dazugehörigen Aufgaben sowie Verantwortungen basieren auf dem Buch „Real Life BPMN“ von Bernd Rücker und Jakob Freund von Camunda und werden ebenfalls ausführlich in unserem zentralen Handbuch beschrieben:
- Prozesseigner/in: Strategische Verantwortung. Meist Führungskräfte der oberen Ebene (Geschäfts- oder Bereichsleitung). Interessiert an der Optimierung von Prozessen aufgrund von Budget und anderen KPIs. Nur diese sind dazu befugt, neue oder geänderte Prozesse final freizugeben.
- Prozessmanager/in: Operative Verantwortung. Manager oder Teamleiter der unteren oder mittleren Führungsebene (Teamleitung oder Mitarbeiter). Auch ein Teammitglied kann diese Aufgaben übernehmen. Berichtet direkt an die Prozesseigner und ist meist für die Modellierung und Erarbeitung der Prozesse verantwortlich.
- Prozessanalytiker/in: Sie unterstützen Prozessmanager bei der Überwachung und Auswertung. Ebenfalls Manager oder Teamleiter der unteren oder mittleren Ebene (Teamleitung oder Mitarbeiter). Auch ein Teammitglied kann diese Aufgaben übernehmen. In den meisten Unternehmen ist der / die Prozessmanager/in sowie Prozessanalytiker/in die ein und selbe Person. Bei uns ist dies z.B. aktuell der Fall.
- Prozessingenieur/in: Sie setzen Technologie zur Umsetzung der IT-bezogenen Verbesserungsvorschläge ein. Stichwort Automatisierung (Mitarbeiter aus der IT-Abteilung)
- Prozessteilnehmer/in: Diese sind für die operative Arbeit zuständig. Teammitglieder & alle anderen, die an der operativen Umsetzung der Prozesse beteiligt sind (kann quasi jeder sein).
Es ist extrem wichtig, dass diese Rollen anhand des Organigramms definiert und auch unternehmensweit kommuniziert (bei uns committed: “Commit = Komm mit; sich zusammen auf den Weg machen; gemeinsam hinter Entscheidungen stehen; gemeinsam mit den Konsequenzen rechnen“) werden. Jede Rolle hat spezielle Aufgaben und ist essenziell wichtig für die erfolgreiche Umsetzung. Nur wenn alle diese Rollen ernst nehmen und leben, funktioniert Prozessmanagement.
TL: Wie lange hat es bei euch gedauert, bis ein brauchbares Prozessmanagement gestanden ist und wie viele Kolleginnen und Kollegen haben mitgeholfen und wer musste überzeugt werden?
SB: Wir sind aktuell mitten in der letzten Phase der Einführung. Was alles in allem dann rund 2 Jahre gedauert hat. Mit den nun gewonnen Erfahrungswerten wäre eine erneute Einführung sicherlich auch schneller möglich.
Dennoch gilt, das Gras nicht schneller wächst, nur weil man daran zieht. Prozessorientiertes Arbeiten bedeutet für viele Unternehmen, sich grundlegend zu ändern. Man sollte möglichst jeden Mitarbeiter mitnehmen. Direkt oder indirekt. Was bei uns global gesehen ca. 200 Mitarbeiter sind. Natürlich muss nicht jeder den Wissensstand eines Prozessmanagers oder Prozessanalysten besitzen. Dennoch ist es wichtig, dass möglichst viele Personen und vor allem auch das Management, das Thema ernst nehmen und auch weitertragen. Eine genaue Zahl zu nennen ist sehr schwierig. Ich würde sagen, dass 1-2 Jahre, bei einer mittelständischen Unternehmensgröße ganz normal sind. Klar können relativ schnell Quick-Wins erzielt werden, aber professionelles und nachhaltiges Prozessmanagement innerhalb eines Unternehmens zu etablieren braucht seine Zeit.
Es gibt schon so viele Vergleiche zum Thema Prozessmanagement. Dabei ist mir eingefallen, dass Mario World, was es damals auf dem ersten Gameboy gab, perfekt passt. Man kann nicht einfach ins Schloss rennen, den Endgegner außer Gefecht setzen und die Prinzessin mit nach Hause nehmen. Man muss sich erst durch zahlreiche Teilbereiche kämpfen, um so nach und nach alle Sterne für den Zugang des Schlosses zu sammeln. Das gute dabei ist, dass man nicht alle verfügbaren Sterne sammeln muss – es reichen ein paar Sterne aus jedem Teilbereich um letzten Endes das große Ziel zu erreichen. Und wer sich an die drei Rohre des Menüs erinnert, weiß, dass es auch verschiedene Wege gibt, dies Aufgabe zu bewältigen. Jedes Unternehmen hat eigene Strukturen und gute Prozessmanager sind in der Lage diese zu erkennen um im Anschluss die Vorgehensweise individuell anzupassen. Und selbst derjenige der die Prinzessin erobert hat, sollte wissen, das Prinzessinnen auch gepflegt werden müssen 😊.
SB: Und zu guter Letzt noch eine kleine Liste der meines Erachtens wichtigsten Mehrwerte, die durch Prozessmanagement innerhalb eines Unternehmen resultieren:
- Prozesse sorgen für Transparenz – vor allem in Bezug auf Verantwortlichkeiten.
- Prozesse sind die perfekte Grundlage für IT-gestützte Digitalisierung sowie Automatisierung.
- Prozesse sind der Grundstein um Wissen innerhalb eines Unternehmens zentral zugänglich zu machen, was wiederum die perfekte Grundlage für On-Boarding-Prozesse oder die Übergabe einer Nachfolge bei Krankheit, Vertretung oder Rente sein kann.
- Prozesse sind zentrale Nachschlagewerke, sodass alle Mitarbeiter, gerade bei komplexer operativer Arbeit, nicht den Überblick verlieren.
- Prozesse sind ein sehr effektives Führungstool, da so fast immer die gesamte Arbeit einer Abteilung dokumentiert, stetig weiterentwickelt (KVP) und ja, auch überwacht werden kann.
- Prozesse können, bei Verwendung eines geeigneten Tools, messbar gemacht werden und dadurch das Thema KPI (Key Performance Indikator), was heutzutage unumgänglich ist, unterstützen.
- Prozesse können scheinbar komplizierte Themen durch die damit im Zusammenhang stehende Visualisierung plötzlich unkompliziert erscheinen lassen und schaffen dadurch oft Verständnis für die Arbeit anderer. Extern, intern und auch abteilungsübergreifend.
- Visuell modellierte Prozesse sind meist leichter verständlich als lange theoretische Texte die vor allem in der Vergangenheit für ISO-Zertifizierungen genutzt wurden.
- Prozesse schaffen Standards, was z.B. bei der Herstellung eines Produktes hinsichtlich des Qualitätsmanagements unabdingbar ist.
- ABER: Prozesse sind nicht die Lösung für alle Probleme, sondern nur ein essentiell wichtiges Puzzleteil um Unternehmen in der heutigen Welt zum Erfolg zu führen.
Heidi Pschibilla, Krones AG
Heidi Pschibilla, Head of Corporate Development Lean and Process Excellence bei der KRONES AG in Neutraubling bei Regensburg verantwortet gemeinsam mit ihrem Team, das Thema Prozessmanagement bei einem Maschinenbauer aus dem S-DAX. Sie teilt mit mir Ihre täglichen Herausforderungen und Lösungsansätze.
TL: Sie sind Prozessmanagerin bei einem S-DAX-Unternehmen. Was würden Sie sagen, sind Ihre Top 3-5 Aufgaben?
HP: Die Aufgaben sind sehr vielfältig in diesem Umfeld, was es sehr spannend macht. Die entscheidenden Aufgaben sind meines Erachtens zuallererst die Basisarbeiten wie z.B. der Aufbau der Prozessarchitektur als Rahmenwerk, und des dazugehörigen Verantwortlichkeitskonzepts. In diesem Zusammenhang gehört das Schaffen von Plattformen dazu. Einerseits um die verschiedenen Perspektiven im Prozessumfeld zu harmonisieren und anderseits um gemeinsam an der Prozessreife zu arbeiten. Dann darf man natürlich das Modellieren nicht unterschätzen, welches mit der Identifizierung von Prozessoptimierung einhergeht und schließlich das Steuern. Wie gesagt: sehr vielfältig!
TL: Wie sind Sie Prozessmanagerin geworden? Stand das schon immer auf Ihrer Karriereagenda?
HP: Gute Frage, es hat sich sinnvoll in mein Portfolio und Neigung gefügt. Also, nein. Es stand nicht bewusst auf der Kariere Agenda.
TL: Und welche Kompetenzen sind dabei besonders wichtig?
HP: Sicherlich sollte man Methodenkompetenz besitzen, um Arbeitstechniken bei sich selber anzuwenden und anderen zu lehren. Die Fähigkeit zu abstrahieren, um einen systemischen Blick zu bewahren, aber auch Moderations-Kommunikation und Konfliktkompetenzen. Nachdem die Arbeit an Prozessen mit Menschen geschieht, sehe ich durchaus persönliche Kompetenzen wie z. B. eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit aber auch Kritikfähigkeit. Das sind meines Erachtens die Kernpunkte. Allerdings kommt es auch darauf an, wo man sich gerade im Prozessmanagement befindet.
TL: In unseren Seminaren geht es ja auch um die organisatorische Verankerung von Prozessmanagement. Wie sieht das bei Ihnen aus? Also welche definierten Rollen gibt es und wer hat welche Rolle?
HP: Wir haben die Rollen der Prozess-Ketten-Verantwortlichen. Wenn man möchte, wäre diese Rolle das Äquivalent der E2E Owner (Anm. TL: E2E = End-to-End). Schließlich gibt es noch Area-Owner und Global Prozess Owner. Verankert ist das ganze über Plattformen bzw. Gremien, die dem Austausch, Gestaltung und Entscheidung aber auch Eskalation dienen. In diesem Zusammenhang muss man aber auch sagen, dass die Art der Rollen durchaus vom Geschäft und der Größe des Business bzw. Organisation abhängen.
TL: Wie lange würden Sie sagen dauert es bis man ein einigermaßen brauchbares Prozessmanagement aufgebaut hat. Und wie viele Kolleginnen und Kollegen müssen mithelfen und wer muss überzeugt werden?
HP: Ähnlich wie bei den Rollen hängt die Antwort hängt von vielen Faktoren ab, wie z. B. der Größe der Organisation oder vom entsprechenden Businessmodell. Schließlich darf man nicht vergessen, ob man international agiert oder nicht. Um auf die Frage zurückzukommen: Initial kann das sehr schnell gehen, zwischen 6-12 Monaten. Interessant wird es nach der Konzeptphase und ersten Pilotierung wenn die eigentliche Umsetzung vonstatten geht. Schwierige Frage. Wir reden von ein paar Jahren. Allerdings sehe ich das Thema iterativ bzw. zyklisch weil auch Optimierungen nie aufhören.
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