Know-How über Prozessmanagement-Methoden auch für Start-ups und kleinere Unternehmen wie z. B. Kanzleien oder Handwerksbetriebe nützlich.

„Prozessmanagement ist doch nur etwas für große Unternehmen!“ Das höre ich manchmal von Teilnehmern in unseren Weiterbildungsformaten. Dabei ist das Know-How über Prozessmanagement-Methoden auch für Start-ups, KMU oder Kanzleien und Handwerksbetriebe sehr nützlich! Und wenn man die aktive Steuerung der wichtigsten Geschäftsprozesse völlig vernachlässigt kann das sogar richtig gefährlich werden.

In diesem Beitrag beschreibe ich sechs Gründe für und Nutzenpotenziale von Prozessmanagement-Know-How. Außerdem beschreiben die Köpfe zweier erfolgreicher Start-ups (Dominik Märkl von OneStop Pro und Lea Frank von anybill) sowie die Kanzleiberaterin Jasmin Isphording, Jasis-Consulting bzw. Kommunikationsprofi Marion Nikol, Intecsting Ihre Erfahrungen zu Methoden und Tools im Prozessmanagement bei Start-ups, Kanzleien bzw. KMU.

1. Die Organisation stärken und gezieltes Wachstum vorbereiten

Gerade Start-ups sind oft auf den Gründer bzw. das Gründerteam zugeschnitten. Wenn ein erfolgreiches Wachstum auf den Weg gebracht wurde, erhöht sich die Komplexität deutlich und Strukturen müssen der internen Organisation halt geben. Wenn das versäumt wird, können später Komplexitätskosten überproportional steigen. Und – noch viel schlimmer – langsame Entscheidungen und Verzögerungen bei Rückmeldungen und Lieferungen an Kunden die Folgen sein.

Aber auch dynamisches Wachstum sollte kanalisiert und bewusst gesteuert werden. Gerade in der Phase nach der Entwicklung des „Minimum Viable Product“ muss es schnell gehen. Denn dann sind Start-ups anfällig für schnelle Nachahmer. Besonders wichtig ist das bei Plattformgeschäftsmodellen. Denn hier ist die Gefahr groß dass ein Mitbewerber in kürzerer Zeit die meisten Nutzer gewinnt und somit aufgrund des Netzwerkeffekts allen Nutzern den größten Vorteil bietet („Winner-Takes-all“).

Eine Prozesslandkarte ist das optimale Tool schon sehr früh agile, prozessorientierte Strukturen zu definieren, an kundenorientierten Prozessen zu arbeiten und eine zielführende Diskussion über Kernkompetenzen zu führen. Ein weiterer Vorteil einer Prozesslandkarte ist, dass es das Onboarding neuer Mitarbeiter erleichtert. Denn damit können die wichtigsten Aufgaben und die Schnittstellen zu anderen Unternehmensbereichen und dem Kunden aufgezeigt werden.

Interview Lea Frank (CEO anybill)
Interview Prof. Dr. Thomas Liebetruth und Lea Frank von anybill zu Prozessen und Prozessmanagement
Bild: Lea Frank

Lea Frank ist zusammen mit Tobias Gubo und Patrick Göttler Co-Founderin, CEO und Visionsgeberin und bei anybill, einem 2019 in Regensburg gegründeten Start-up, das sich zum Ziel gesetzt hat eine moderne Lösung für die Belegausgabepflicht zu bauen und so die Digitalisierung am Point-of-Sale voranzutreiben. 

TL: An was denken Sie als Gründerin eines erfolgreichen Start-ups als erstes wenn Sie das Wort Prozesse hören?

Lea Frank: Prozesse klingt sehr „corporatemäßig“ und ein wenig sperrig, sind aber wichtig. Am Anfang wehren sich alle weil in der frühen Phase eines Start-Ups die Kreativität nicht behindert werden soll. Aber ab einer gewissen Phase wird es aber nötig sich über Prozesse Gedanken zu machen. 

TL: Welche Prozesse stehen bei anybill aktuell im Vordergrund?

Lea Frank: Als erstes natürlich der Vertriebsprozess. Hier geht es darum, unsere Multiplikatoren möglichst gut einzubinden. Der zweite wichtig Prozess ist der Onboardingprozess für Partner. Hier ist es wichtig, das Onboarding z. B. für die Händler möglichst einfach zu machen. Und zum dritten interne Prozesse, wie den Produktenwicklungsprozess bzw. die DevOps. Hier muss eine hohe Qualitat der Entwicklung gewährleistet werden. Gleichzeitig müssen die neuen Features schnell live gehen. Hier nutzen wir agile Methoden. 

TL: Inwiefern ist Prozessmanagement für Ihr Unternehmen wichtig? 

Lea Frank: Es muss eine sinnvolle Balance zwischen „tot prozessieren“ und Kreativität geschaffen werden. Bei einigen Vorgängen brauchen wir Standards, um eine schnelle und gute Umsetzung zu gewährleisten. Bei anderen Aufgaben müssen wir aber auch kreativ bleiben. Ein Beispiel ist das Onboarding neuer Mitarbeiter, was gerade in der Wachstumsphase wichtig ist. Hier haben wir Standards definiert und auch ein internes Wiki aufgesetzt, damit sich neue Mitarbeiter möglichst schnell zurecht finden können. 

TL: Was wären oder waren die ersten Aufgaben eines Prozessmanagers bei anybill?

Lea Frank: Die erste Aufgabe ist die Schaffung einer einheitlichen Tool-Landschaft. Bei anybill arbeiten wir sehr stark mit Standard-Produkten, wie z. B. zur Team-Organisation und Kommunikation. Im DevOps Bereich mit Cloud-Lösungen und Multiprojektmanagement. Ansonsten nutzen wir auch teilweise noch andere Tools zur externen Kommunikation. Zur Modellierung von Prozessen nutzen wir verschiedene Systematiken: BPMN 2.0 für Standard Prozesse aber auch Systematiken aus der agilen Welt, hübsche Designtools oder aber auch einmal ganz einfach des Whiteboard.

Die zweite wichtige Aufgabe ist die Gestaltung und das Management der Schnittstellen zwischen den Teams, also dass die vielfältigen Aufgaben auch schnell in das richtige Team kommen. Dazu gehört im weitesten Sinne auch die interne Kommunikation: wir achten darauf, Kommunikationsprozesse möglichst so zu gestalten, dass keine Rückkopplungen nötig sind und viel automatisiert abläuft (Anm. TL: dass das bereits gut funktioniert, habe ich bei der Vereinbarung des Interviewtermins selbst erfahren: ich konnte mir über einen Link selbst eine 30 oder 60 Minuten Austausch buchen und habe dann eine Bestätigung per Mail mit dem Link zum Meeting erhalten!).

2. In Prozessen gebundene Ressourcen beeinflussen die Kostenstruktur und die Effizienz wesentlich

Hier geht es um das offensichtliche Thema der Kostenstruktur. Prozesse sind nach einer Definition „wertschöpfende Input-Output-Beziehungen“. Alle eingehenden und damit Kosten verursachende Ressourcen ermöglichen für den wertschöpfenden Output. Die Ressourcen können vielfältig sein: Kosten für Rohmaterialien, externe Dienstleistungen wie Marketing oder für die Infrastruktur. Bei kleinen Unternehmen sind aber häufig Personalkosten der größte Kostenblock. Und wenn der Personaleinsatz schlecht organisiert ist (sprich: schlechte Prozesse) sind geringe Gewinne oder Verluste die Folge.

Ein Beispiel hierzu: Wenn in einem Laden oder einem Lager die Produkte, die sich der Kunde oder die Kundin braucht, erst lange gesucht werden müssen, sind die Kosten für den Verkauf oder das Kommissionieren hoch und der Kunde muss lange warten. Zudem kann die mit Suchen gebundene Zeit nicht für wertschöpfende Tätigkeiten, wie den Laden ansprechender gestalten oder das Lager aufräumen bzw. die Anlagen in Stand setzen eingesetzt werden. Oft können auch kleine Dinge hier schon einen Unterschied machen.

Hohe Fixkosten

Eine besondere Herausforderung liegt in hohen Fixkosten. Das ist auf kurze Sicht besonders bei hohen Personalkosten (z. B. Handwerksbetrieb oder Anwaltskanzlei) oder auch bei hohen Infrastruktur- oder Systemkosten (Lager oder IT-Plattform) der Fall. Wenn hier keine Transparenz über die Kostentreiber herrscht, besteht die Gefahr, dass Leistungen falsch kalkuliert werden: Aufwändige Aufträge werden zu günstig verkauft und einfache Aufträge nicht gewonnen weil man zu teuer war.

Hier kann eine Prozesskostenrechnung Transparenz schaffen. Sie ist sinnvoll wenn ein hoher Fixkostenblock existiert (ansonsten könnten anfallende Kosten als Einzelkosten direkt den Leistungen zugeordnet werden), die relevanten Prozesse eine gewisse Wiederholhäufigkeit haben (bei einmaligen Prozessen lohnt sich der Aufwand für eine Prozesskostenrechnung nicht) und die potenziellen Prozessvarianten in ihrem Ressourceneinsatz sehr unterschiedlich sind (bei ähnlichem Ressourceneinsatz würde eine einfache Divisionskalkulation ein ähnliches Ergebnis bringen). Und natürlich sind transparente und angemessen dokumentierte Prozesse eine notwendige Voraussetzung für eine aussagekräftige Prozesskostenrechnung.

Interview Jasmin Isphoring (Jasis-Consulting)
Jasmin Isphording ist Gründerin und Inhaberin von Jasis-Consulting, einer auf Kanzleien spezialisierte Unternehmensberatung. Mit ihr habe ich mich über die Wichtigkeit von Prozessen in Kanzleien unterhalten.
Bild: Jasmin Isphording

Jasmin Isphording ist Gründerin und Inhaberin von Jasis-Consulting, einer auf Kanzleien spezialisierte Unternehmensberatung. Mit ihr habe ich mich über die Wichtigkeit von Prozessen in Kanzleien unterhalten.

TL: Wie wichtig sind denn aus Ihrer Erfahrung Prozesse für Kanzleien (bzw. Wie wird denn die Wichtigkeit dort wahrgenommen?

Jasmin Isphording: Sehr wichtig, denn Anwälte sollten die Zeit für Ihre Kerntätigkeiten – die Beschäftigung mit Schriftsätzen – so effektiv wie möglich nutzen. Außerdem müssen laufende Fristen eingehalten werden. Andererseits muss viel Zeit für Gerichtstermine aufgewendet werden, was auch oft einen ziemlich zersplitterten Tagesablauf mit wenigen „Ruheinseln“ bedeutet. 

Und noch ein anderer Punkt: Kanzleien berechnen ihre Leistungen teilweise gemäß einer Gebührentabelle. Ein solches Honorar ähnelt einer Pauschale. Ein anderer Teil wird nach Stundenhonorar abgerechnet. Je weniger Aufwand man mit der Bearbeitung der Aufträge bei Pauschalen hat, desto mehr bleibt hängen. Bei den Stundenhonoraren ist die Motivation allerdings nicht so groß. Aber gerade dieser Mix ist eine Herausforderung. 

Leider fehlt bei einigen Kanzleien aber immer noch das Bewusstsein über die Wichtigkeit von Abläufen. Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass das in der Ausbildung eine sehr geringe Rolle spielt. 

TL: Was sind die wichtigsten Prozesse in einer Kanzlei, die einem aktiven Management bedürfen? Auf Ihrer Webseite habe ich z. B. etwas von Fristenmanagement gelesen. 

Jasmin Isphording: Am wichtigsten ist aus meiner Sicht die Bearbeitung des Posteingangs. Denn hier müssen die eingehenden Informationen durchgesehen werden und dann präzise im Sine von Wenn-Dann-Logiken die richtigen, oft zeitkritischen Aktivitäten angestoßen werden. Insbesondere die Eintragung von Fristen bedarf Ruhe und Konzentration, während andere Aufgaben durch einen Versand von Standardtexten erledigt werden können.  Wenn dann das Filtrat der Post beim Anwalt oder der Anwältin landet kann sie das dann konzentriert bearbeiten. 

TL: Wer könnte am besten die Rolle eines Prozessmanagers in einer Kanzlei ausfüllen? Das hängt wahrscheinlich von der Größe ab, oder?

Jasmin Isphording: Die Prozesse um die Kerntätigkeiten der Anwälte werden in der Regel von den Fachangestellten oder Sekretariaten erledigt. In manchen Kanzleien gibt es auch einen Kanzleimanager, der sich um die Abläufe und die Infrastruktur wie die entsprechenden Tools kümmert. 

TL: Wie ist denn die Toolunterstützung in Kanzleien? Welche Tools gibt es und wie ist der allgemeine Stand der Digitalisierung?

Jasmin Isphording: Spezialisierte Kanzleisoftware gibt es seit etwa 20 Jahren, wird aber immer noch nicht durchgehend genutzt. Das ist schade, denn eine konsequente Nutzung der bereitgestellten Funktionen würde den Druck im Kanzleialltag bereits sehr lindern. Was leider oft verkannt wird, ist dass es nicht funktioniert, manuelle Prozesse 1:1 in einen digitalen Workflow zu überführen. Vor einer Digitalisierung sollten die Prozesse überprüft und optimalerweise verschlankt werden, bevor sie in Softwaretools umgesetzt werden. Ansonsten bleiben ineffiziente Prozesse ineffizient aber eben digital ineffizient

Bezüglich dem aktuell gehypten „Legal Tech“ gilt aus meiner Sicht Ähnliches: Nur wenn die Tools mit den richtigen Informationen gefüttert und der Einsatz gut vorbereitet wird, wird Legal Tech seine volle Wirksamkeit entfalten können. Aktuell sind solche Systeme aber noch nicht besonders weit verbreitet. 

TL: Denken Sie, dass Prozesse in Zukunft für den wirtschaftlichen Erfolg einer Kanzlei eine noch größere Rolle spielen werden?

Jasmin Isphording: Auf jeden Fall. Neben Gründen wie Fachkräftemangel, Preisdruck durch Legal-Tech-Unternehmen und Kostendruck gibt es immer noch den wichtigsten Grund: Schlanke und clevere Abläufe führen zu einer schnelleren Bearbeitungszeit und in der Folge zu besseren Bewertungen. Bewertungen sind und bleiben ein wichtiges Kriterium bei der Wahl für oder gegen eine Anwaltskanzlei.

3. Digitalisierungspotenziale identifizieren und effektiv ausschöpfen

Eine strukturierte Übersicht über die Prozesslandschaft kann auch der Startpunkt für die Suche nach Digitalisierungspotenzialen sein. Wenn die Prozesslandkarte erstellt ist und die wichtigsten Prozesse modelliert wurden, kann auf dieser Basis geprüft werden, ob sich der Einsatz digitaler Tools lohnt. Die Nutzenpotenziale liegen in folgenden Punkten:

  • Effizienzsteigerung durch weniger Fehler oder anderen Verschwendungsarten aus dem Lean Management (vgl. auch die Wertstromanalyse 4.0 für das Aufspüren digitaler Verschwendungsarten)
  • Erhöhung der Transparenz und Verbindlichkeit,
  • agilere Prozessen durch schnellere Ausführung bzw. bessere Informationsweitergabe
  • bessere Vermarktungsmöglichkeiten durch die Nutzung von gesammelten Daten.

Eine angemessene und sinnvolle „Tool-Landschaft“ ist eine besondere Herausforderung für Start-Ups und kleine Unternehmen. Oft werden Tools aus der unmittelbaren Notwendigkeit angeschafft. Das führt manchmal zu „Wildwuchs“ und Schnittstellenproblemen zwischen den Tools. Eine valide Kosten-Nutzen-Betrachtung ist gerade in einer frühen Wachstumsphase besonders schwer. Dennoch gibt es bereits einige niederschwellige Tools, die einen spürbaren Mehrwert bieten:

  • Ein DMS (Dokumentenmanagement-System) ist im Kern eine Datenbank für Dokumente, die an sich schon einen Mehrwert bietet. Die gängigsten Tools ermöglichen aber auch noch Workflows um die Dokumente herum zu bauen.
  • Ein Customer-Relationship-Management-System (CRM) kann den Akquiseprozess strukturiert unterstützen. Es ist eine Kommunikationsplattform die die gesamte Kundenkommunikation in den verschiedenen Kanälen bündelt.
  • Ebenso ist Robotic Process Automation (RPA) eine Möglichkeit mit sehr begrenztem Aufwand die Effizienz von Prozessen zu erhöhen oder die Fehler im Prozess zu reduzieren.

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4. Prozesse der Kunden verstehen um Bedarf und Mehrwert der eigenen Leistung einzuschätzen

Eine Grundidee des Design Thinkings ist es bei der Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen aus der Sicht des Kunden zu denken. Gleiches gilt auch für die Prozesse der Kunden. Nur wenn man die Prozesse des Kunden und die damit verbundenen Herausforderungen versteht, kann man den Mehrwert der eigenen Leistung richtig einschätzen. Gute Beispiele dafür sind Celonis und OneStopPro.

Celonis ist im eigentlichen Sinne mittlerweile weder ein Start-up noch ein kleines Unternehmen. Dennoch zeigt das Beispiel eindrucksvoll, wie es gelingen kann mit Process Mining durch einen Beitrag zur Verbesserung von Prozessen beim Kunden ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu kreieren.

Celonis wurde 2008 von Bastian Nominacher, Alexander Rinke und Martin Klenk als Projekt aus einer studentischen Unternehmensberatung gegründet. 2013 gelang eine Partnerschaft mit SAP und dann wuchs das Unternehmen von 60 Mitarbeiter 2015 auf 800 2019 indem gemeinsam mit Kunden neue Anwendungen entwickelt wurden (ein gutes Beispiel für eine Co-Creation). 

Die Idee ist Prozesse mit bereits vorhandenen Datenbeständen zu Transaktionen wie Bestellungen, Lieferungen oder Aufträge, zu analysieren und so Schwachstellen und Ursachen genau zu lokalisieren und zu visualisieren. Der Screenshot im Beitrag des it-onlinemagazins macht die dadurch erzeugte Transparenz deutlich. Er zeigt Abläufe mit den jeweiligen Häufigkeiten und Sonderfällen. Je nach verfügbaren Daten sind auch Durchlaufzeiten und Engpässe analysierbar.

Neben dem technischen Aspekt, dass verschiedenste existierende Datenbestände zusammengefasst werden müssen, ist gleichzeitig aber auch ein gutes Verständnis der Probleme und Bedürfnisse der Kundenprozesse nötig. Denn nur so können Ansatzpunkte für Prozessverbesserungen zielgenau identifiziert werden.

Interview Dominik Märkl (Leiter OneStop Pro®)
Ziel und Mission von OneStop Pro ist es Mehrwert für Kunden zu erzeugen und manuelle Prozesse durch digitale Arbeitsschritte in Kombination mit Telematik zu vereinfachen. Dominik Märkl ist Leiter von OneStop Pro und beschäftigt sich intensiv damit Prozesse für seine Kunden zu vereinfachen.
Bild: Dominik Märkl

Auch OneStop Pro® ist ein Beispiel dafür, dass es wichtig ist die Prozesse der Kunden zu verstehen. Das Unternehmen bietet eine eine Software zum marken- und herstellerunabhängigen Verwalten, Disponieren und Auswerten sämtlicher Maschinen, Geräte, Fahrzeuge, Personen und weiterem Equipment. Ziel und Mission von OneStop Pro ist es Mehrwert für Kunden zu erzeugen und manuelle Prozesse durch digitale Arbeitsschritte in Kombination mit Telematik zu vereinfachen. Dominik Märkl beschäftigt sich intensiv damit Prozesse für seine Kunden zu vereinfachen.

TL: An was denken Sie als Leiter eines erfolgreichen Start-ups, das sich kurz vor dem Scale-Up befindet, als erstes wenn Sie das Wort Prozesse hören?

Dominik Märkl: Bei Prozessen schwingt oft eine gewisse negative Note mit, allerdings bedeuten Prozesse für mich: klare Verantwortlichkeiten, verlässliche Strukturen und optimierte Arbeitsweise, also etwas sehr Positives weil wir uns als OneStop Pro® den täglichen Umgang erleichtern können.

TL: Welche Prozesse stehen bei OneStop Pro aktuell im Vordergrund?

Dominik Märkl: Da ist zum einen der Customer Success Prozess. Dabei geht es darum sich umfassend der Interessen der Kunden anzunehmen. Wenn also der Kunde über die verschiedenen Kanäle Kontakt zu OneStop Pro aufnimmt, kümmert sich ein Customer Succes Manager darum welche Maßnahmen eingeleitet werden müssen um den Kunden „erfolgreich“ bei seinem individuellen Anliegen zu machen. Diese können ja bekanntermaßen vielfältig sein, denn es geht aus unserer Erfahrung nicht immer nur um Probleme sondern auch um Unterstützung, Bestätigungen oder Zusatzangebote. (Anm. TL: eine sehr schöne Metapher!)

Zum anderen ist bei uns der Prozess zur Weiterentwicklung der Plattform wichtig. Dabei geht es darum, unsere Lösung weiterzuentwickeln und einzigartiger für die Zukunft aufzustellen. Aber auch darum, die Rollen und die Zusammenarbeit im Team aufgrund unseres Starken Wachstums zu definieren. Ein konkretes Beispiel sind neue Rollen innerhalb des Entwicklungsteams (z. B. Cloud-Architect), um daraus klare Verantwortlichkeiten und optimierte Abläufe zu erzeugen.

TL: Inwiefern ist Prozessmanagement für Ihr Unternehmen wichtig? 

Dominik Märkl: Auch in dieser frühen Phase sehr wichtig. Bei OneStop Pro® gehen wir bestehende Prozesse turnusmäßig detailliert durch, bewerten die Ist-Situation und überprüfen sie auf Potenziale und Optimierungsmöglichkeiten. Unsere hauptsächlichen Ziele sind die Vorbereitung der Organisation auf den nun anstehenden Scale-Up. Damit können wir den Ressourceneinsatz und die stark zunehmende Kundenanzahl gezielt steuern. Außerdem ist es dazu auch wichtig Prozess-Know-How zu haben. So können wir unsere Kunden dabei unterstützen unsere Lösung sinnvoll und effektiv in deren Prozesse einzubinden. Wenn wir die Prozesse unserer Kunden verstehen und wir ihnen erklären können, wie viel sie mit unserer Lösung sparen, haben wir einen ganz anderen Zugang zu unseren Kunden. Hier sprechen wir in Bezug auf Prozessmanagement sowohl von einer internen als auch einer externen Sichtweise. 

TL: Was wären oder waren die ersten Aufgaben eines Prozessmanagers bei Ihnen?

Dominik Märkl: Aktuell haben wir noch keine explizite Stelle dafür geschaffen. Wir haben dieses Thema aufgrund der Wichtigkeit aber immer auf dem Schirm. Aber die erste Aufgabe wäre es, unsere bestehende internen Prozesse kritisch zu hinterfragen. Das ist gerade in der jetzigen Phase wichtig. Insofern geht das fast schon in Richtung Business Development. Für mich sind ein Verständnis und die Kompetenz aller internen und externen Schnittstellen und Prozesse Grundlage dafür, um beim Kunden erfolgreich zu sein und diesen auch vollkommen zufrieden zu stellen. Denn ordentliche und saubere interne Prozesse haben eine direkte Auswirkung auf die Qualität unserer Software und der damit einhergehenden Wahrnehmung unserer Kunden.

5. Schlüsselprozesse perfektionieren um qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen zu erstellen

Wenn der Mehrwert für den Kunden klar ist ist der nächste Schritt ein qualitativ hochwertiges Produkt oder Dienstleistung zu schaffen. Das Produkt oder die Dienstleistung ist es ja, was den Mehrwert für die Kunden schafft. Also beispielsweise die Steuererklärung eines Steuerberaters oder der hergestellte Sensor oder die funktionierende Plattform. Und eine fehlerfreie Steuererklärung bzw. einen fehlerfreien Sensor oder reibungslos funktionierende Funktionen auf einer Plattform werden die Kunden oder User wahrscheinlich mehr wertschätzen als häufiges Nachfragen oder Reklamationen. Denn mit diesen Leistungen möchte man sich vom Wettbewerb abgrenzen.

Insofern sollten sich auch Start-ups, KMUs und Selbständige mit der Qualität ihrer Prozesse beschäftigen. Denn die Prozesse des Unternehmens beeinflussen die insbesondere die Qualität des Produkts bzw. der Dienstleistung und damit den Mehrwert wesentlich. In der Struktur eines Business Model Canvas heißen die wichtigsten Prozesse auch Schlüsselaktivitäten. Je nach Art des Unternehmens sind das administrative Prozesse, Produktions- und Logistikprozesse oder DevOps.

Und auch nach der gängigen Lehre aus dem Qualitätsmanagement sind eine hohe Qualität und ein hoher Reifegrad der Prozesse eine notwendige Voraussetzung für eine hohe Qualität der Produkte, Dienstleistung oder der Software. Ansatzpunkte wie die Qualität der Prozesse gesteigert werden kann gibt es viele: Lean Management, Digitalisierung, Agiles Management etc. Ein Kondensat der wesentlichsten Ideen habe ich in meinem Beitrag zu den 13 Prinzipien zur Prozessverbesserung zusammengefasst.

6. Durchdachte Kommunikationsprozesse erweitern das Netzwerk und die Kundenbasis

Jeder Blogger oder Social Media Profi weiss, dass ein Redaktionskalender für die Kommunikation seiner Inhalte das A und O ist. Das ist ein erster, sehr einfacher Schritt für eine strukturierte Kommunikation. Damit bei der Akquise neuer Kunden keine Fehler passieren und potenzielle Kunden bzw. Nutzer doppelt oder gar nicht angesprochen werden oder nach einem Erstkontakt nicht hartnäckig genug nachgefasst wird, ist es sinnvoll sich bereits im Vorfeld den Ablauf der Kampagne (also quasi den Prozess) zu überlegen. Hier können CRM-Systeme unterstützen. Sie können die Kommunikation mit Interessenten, Kunden oder Partnern prozessual unterstützen.

Diese beiden Beispiele zeigen, wie sinnvoll und notwendig es ist sich, mit den Abläufen im Kontakt mit seinen Kunden, Nutzern oder Partnern strukturiert zu beschäftigen.

Interview Marion Nikol (Intecsting)
Marion Nikol, PR-Beraterin, Texterin, Lektorin & freie Journalistin sowie Inhaberin der Kommunikationsagentur Intecsting gibt Tipps, wie gerade kleine Unternehmen Struktur in ihre Kommunikationsprozesse bringen können.
Bild: Marion Nikol

Marion Nikol, PR-Beraterin, Texterin, Lektorin & freie Journalistin sowie Inhaberin der Kommunikationsagentur Intecsting gibt Tipps, wie gerade kleine Unternehmen Struktur in ihre Kommunikationsprozesse bringen können.

TL: Was ist der größte Fehler, den kleine Unternehmen in der Kommunikation machen können? Bzw. anders herum: Was ist das wichtigste, das kleine Unternehmen bei ihrer Kommunikation mit Kunden und Partnern beachten müssen?

Marion Nikol: Ganz gleich, ob ein Unternehmen fünf oder fünfzig Mitarbeiter hat – die Kommunikation sollte stets im Sinne einer One-Voice-Policy erfolgen, also auf Basis abgestimmter Kernbotschaften und Inhalte, die jedem Mitarbeiter bekannt sein sollten. Dies fängt bei grundlegenden Aspekten wie dem Unternehmensleitbild und den Unternehmenswerten an und reicht bis hin zu (tages)aktuellen Geschehnissen innerhalb der Firma. Viele Fehler passieren aufgrund von Unkenntnis und Unwissenheit und lassen sich in der Regel vermeiden, wenn Informationen möglichst transparent jedem Mitarbeiter zur Verfügung stehen.

Auf diese Weise lässt sich auch verhindern, dass in der Kommunikation mit Kunden, Partnern oder auch mit der Presse Widersprüche entstehen. Auch kleine Unternehmen sollten deshalb die Bedeutung einer gut abgestimmten und vor allem integrierten Kommunikation nicht unterschätzen und hierfür am besten von Anfang an entsprechende Prozesse und Tools aufsetzen. Der größte Fehler wäre in diesem Sinne also eine unkoordinierte Kommunikation mit uneinheitlichen Botschaften, die oftmals daraus resultiert, dass weder strukturell noch inhaltlich eine entsprechende Basis dafür geschaffen wurde.

TL: Was sind wichtige „Prozesse“ oder Aktivitäten in der Kommunikation?

Marion Nikol: Einer der wichtigsten Prozesse in der Kommunikation ist die Informationsweitergabe, sprich: Wie, in welchem Umfang und über welche Kanäle werden Informationen weitergegeben? Hier passiert es leider oft, dass schon der einfache Grundsatz „intern vor extern“ vernachlässigt wird, so dass Informationen nach außen dringen, von denen die Mitarbeiter noch gar keine Kenntnis haben, was nicht selten zu Unmut führt. Aus diesem Grund ist es wichtig, diesen Prozess gut zu managen, was in der Regel Aufgabe der Unternehmenskommunikation ist. Existiert eine solche Abteilung (noch) nicht, sollte dennoch festgelegt werden, wer für die Ausgestaltung und Steuerung von Kommunikationsprozessen im Unternehmen zuständig ist. Diese Person agiert dann als zentrale Schnittstelle, ist für das Generieren von Inhalten verantwortlich und koordiniert sämtliche interne wie auch externe Kommunikationsabläufe, seien es Mitarbeiter-Informationen, Kundenmailings oder auch Pressemeldungen.

TL: Wie können innovative Start-ups am besten abstrakte Ideen kommunizieren?

Marion Nikol: Je abstrakter die Idee, desto schwieriger scheint in der Tat die Kommunikation. Doch letztlich dreht es sich gerade bei innovativen Start Ups in der Regel um die Frage, welchen Nutzen die jeweilige (abstrakte) Idee für den Kunden oder Investor hat. Dies lässt sich am besten mit Hilfe von Storytelling übermitteln. Hier werden nicht nur reine Zahlen und Fakten kommuniziert, sondern auch die Emotionen des Adressaten angesprochen. In welcher Form dies geschieht – sei es als reiner Text, mit ausdrucksstarken Bildern oder gar als Video – kommt natürlich auch darauf an, was am besten zum Unternehmen und der Branche passt. Die „Geschichte“ rund um die betreffende Idee sollte jedenfalls so gestrickt sein, dass sich der Stakeholder damit identifizieren kann (im Sinne von „Genau das Problem habe ich auch und benötige eine Lösung“) und deshalb emotional so eingebunden wird, dass eine entsprechende Handlung (zu Beispiel ein Invest oder Kauf) ausgelöst wird.

TL: Welche prozessuale Unterstützung gibt es, sprich welche Tools würden Sie empfehlen?

Marion Nikol: Gute Kommunikation fängt im Grunde bei einfachen „Basics“ wie einem Unternehmensprofil und der Formulierung von drei bis fünf Kernbotschaften an (Wer sind wir? Was machen wir? Was sind unsere Ziele? Nach welchen Werten und Maßstäben handeln wir?) an. Viele mögen das für überflüssig halten, aber es handelt sich dabei um unheimlich hilfreiche Tools, die vor allem den Mitarbeitern Orientierung geben und dafür sorgen, dass jeder den gleichen Kenntnisstand besitzt und demzufolge auch per „One-Voice“ kommuniziert werden kann.

Darauf aufbauend muss ein reibungsloser, kontinuierlicher, transparenter und leicht zugänglicher Informationsfluss innerhalb des Unternehmens – auch bei überschaubarer Mitarbeiteranzahl – sichergestellt werden. Für den oder die Kommunikationsverantwortliche(n) wiederum gibt es natürlich eine ganze Reihe von Tools, die die Planung und Umsetzung von Maßnahmen unterstützen. Als zentrales Element sei hier der Redaktions- bzw. Content-Kalender genannt, der in übersichtlicher Form festlegt und aufzeigt, was zu welchem Zeitpunkt an wen und in welcher Form kommuniziert wird.

 

Ausblick: die nächsten Schritte zum Prozessmanagement-Know-How

Was sind nun die nächsten Schritte zum Know-How-Aufbau in Prozessmanagement-Methoden? Sehr niederschwellig kann ich meinen Online-Kurs bei Iversity „Prozessdesign: Prozesse analysieren, Verbesserungen identifizieren, Potenziale heben“ empfehlen. Wer gerne ein Zertifikat zum Prozessmanagement erhalten möchte, findet bei der Gesellschaft für Organisation (GFO) mit dem Certified Business Analysis Professional (CBAP) und dem Certified Business Process Professional (CBPP) entsprechende Angebote. Und wer einen intensiven Austausch in einer Hochschulumgebung erleben möchte, ist beim Zertifikatskur Business Process Manager/in an der OTH Regensburg, den ich zusammen mit Ulf-Gereon Peter anbiete, bestens aufgehoben!

Online-Kurs zu den Basics des Prozessmanagements

In meinem Online-Kurs bei Iversity stelle ich in kleinen interaktiven Einheiten die wichtigsten Methoden und Tools zu Analyse und Design von effizienten Prozessen vor. Weitere Themen sind: Abschätzung von Potenzialen und Herausforderungen bei der Umsetzung. Da sich inzwischen auch schon einige Teilnehmer eingeschrieben und Ihre Erfahrungen gepostet haben, profitiert man auch von den Beispielen der anderen. Wenn Sie sich für meinen Newsletter eintragen und mir eine Mail schreiben, kann ich Ihnen einen attraktiven Nachlass gewähren.

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Lehrbuch Prozessmanagement in Einkauf und Logistik

Mehr zu Prozessmanagement in Einkauf und Logistik gibt es auch in meinem Buch. Bei diesem Link handelt es sich um einen Affiliate-Link. Da die Inhalte auf dieser Seite kostenlos sind, würde ich mich über einen Support an dieser Stelle freuen.

Online Kurse bei Iversity.org

Einen guten Überblick über die Basics zu Prozessmanagement gibt mein Online-Kurs „Prozessdesign – Prozesse analysieren, Verbesserungen identifizieren, Potenziale heben“ bei iversity.org

Es gibt auch eine englische Version: „Process design: analyse processes, identify improvements, raise potentials“

Mein neuer Espresso-Kurs zur digitalen Verschwendung: „Digitale Verschwendung in Prozessen identifizieren – eine Workshopmethodik“